Salzburger Festspiele

„Großes Welttheater“ im Salzburg Museum: Stumme Zeugen, laute Visionen

Einblick in die Kunsthalle samt Nachbildung der Felsenreitschule und Requisiten aus dem Kostümfundus.
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Eine Woche vor Eröffnung der Salzburger Festspiele können sich Interessierte ab Sonntag durch 100 Jahre Festspiele wühlen. Die Landesausstellung „Großes Welttheater“ eröffnet im Salzburg Museum.

Von Barbara Unterthurner

Salzburg – Ein Salzburg ohne Festspiele – zum heurigen 100-Jahr-Jubiläum kaum vorstellbar. Selbst eine grassierende Pandemie konnte die Spiele nur verkürzen, nicht verhindern. „Wir geben nicht so leicht auf“, betonte in diesem Kontext der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) bei der gestrigen ersten Präsentation der großen Landesausstellung, die anlässlich 100 Jahre Salzburger Festspiele vom Salzburg Museum initiiert wurde. Nicht wie das Festival verkürzt, sondern in epischer Breite feiert die Ausstellung, die am ­Sonntag für das Publikum öffnet, die Festspiele und ihre ­Geschichte unter dem Motto „Großes Welttheater“.

Im Archiv trifft man u. a. auf eine Krone aus einer Hamlet-Aufführung.
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Die Bühne, die das Thema Festspiele in der Neuen Residenz einnimmt, ist enorm: 1800 Quadratmeter werden in vier Kapiteln durchschritten, 180 Besucherinnen und Besucher dürfen aufgrund der Corona-Sicherheitsmaßnahmen aktuell gleichzeitig eintreten.

Am Beginn der Erzählung steht – wenig verwunderlich – der „Jedermann“. Auch im Ausstellungsparcour bildet die Geburtsstunde der Festspiele, der 22. August 1920, den Anfang. Über großes Kino geht es auf die große Bühne: Mit einer vom ORF produzierten Dokumentation Werner Horvaths wird das Publikum sanft in die Mammutschau eingeführt.

Werner Feiersingers Installation erzählt von nicht realisierten Festspielhäusern.
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Im Herzstück der Ausstellung, dem Archiv der Festspiele, das anlässlich der Landesausstellung temporär in die Max-Gandolph-Bibliothek verlegt wurde, geht es dann im Schweinsgalopp durch 100 Jahre Festspiele – stets klug inszeniert. 100 Objekte erzählen 100 Anekdoten: Das Regiebuch Max Reinhardts von 1920 etwa gibt Einblicke in die akribische Arbeitsweise des Festivalmitbegründers, ein Modell des Festspielhauses von 1926 erzählt von den Visionen eines Clemens Holzmeister. Kostüme, wie jenes der Königin der Nacht (1978 gespielt von Edita Gruberová) oder der Violetta Valery (2005 gespielt von Anna Netrebko), sowie die Krone des Titelhelden aus Hamlet (gespielt und inszeniert von Oskar Werner, 1970) atmen gar noch den Geist der Vergangenheit. An den großen Männern, Bruno Ganz, Herbert von Karajan, Riccardo Muti – um nur einige wenige zu nennen –, kommt man hier nicht vorbei.

Shootingstar Yinka Shonibare reagiert mit seiner Arbeit auf Mozarts „Zauberflöte“. Eine Schau zu Shonibare zeigt das Museum der Moderne ab März 2021.
© Stephen White

Stumme Zeugen aus dem Kostümfundus hingegen beleben die Kunsthalle im Untergeschoß, in der auch die Videoinstallation „Death and Birth in My Life“ von Mats Staub zu sehen ist. Jedermann-Interpreten, auch Tobias Moretti, stellen sich dort in Austausch mit anderen, abseits der Jedermann-Bühne existenziellen Lebensfragen. Hier wird gleichzeitig klar: Auch die Schau zielt auf Dialog ab.

Ein Konzept, das trotz der Größe der Schau und der Fülle an Material aufgeht. Ausstellungsdesign und Wandtexte kommunizieren auf mehreren Niveaustufen; Der ambitionierte Katalog wartet mit zusätzlichem Hintergrundwissen auf, ist aber zudem als Ausstellungsbegleiter konzipiert.

Am stärksten spürbar wird der Dialog im Rundgang im ersten Stock, wo sich Stimmen von Kunstschaffenden und Institutionen in die Erzählung der Festspiele einklinken: Das Jüdische Museum etwa widmet Max Reinhardt, der 1937 vor den Nazis ins Exil flüchtete, einen Raum. Um die textliche Ebene hingegen geht es bei der Hallerin Eva Schlegel, die in ihrer Installation „Das Wort“ Zitate von Thomas Bernhard, Hugo von Hofmannsthal, Peter Handke und Elfriede Jelinek neu rhythmisiert.

Mutig wird andernorts trotz Corona (oder wegen?) die Frage gestellt: „Was wäre Salzburg ohne Festspiele?“ Das Gedankenexperiment passt in die Schau, die eben nicht bloßes Abfeiern ist: Brüche werden verhandelt, das Scheitern zelebriert. Laute Visionen, Utopien sind ein Teil des Narrativ. In der Installation des Brixleggers Werner Feiersinger werden etwa vier geplante, aber nie realisierte Festspielhäuser auf einer Tafel konzentriert. Vier „Feentempel“ sind als künstlerische Interventionen ab Ende Juli zusätzlich in ganz Salzburg zu finden – eine schöne Überleitung nach außen, wird man hier doch dem Anspruch der Festspiele gerecht, die ganze Stadt als Bühne zu begreifen.