Operation Aderlass: Für Denifl und Wurm stehen Wochen der Wahrheit an
Zwei Tiroler Ex-Sportler müssen sich demnächst wegen Dopingvergehen verantworten. Nach Stefan Denifl (Rad) muss Harald Wurm (Langlauf/14. August) der Justiz nähere Zusammenhänge erläutern.
Von Florian Madl
Innsbruck – Fast sechs Monate ist es her, dass der Prozess gegen den ehemaligen Tiroler Radprofi Stefan Denifl vertagt wurde. Am Mittwoch hätte am Innsbrucker Landesgericht die Wiederaufnahme erfolgen sollen, doch der Termin wurde abberraumt - einen neuen Termin gibt es noch nicht.
Der Verteidiger des 31-jährigen Fulpmers, Wilfried Plattner, hatte die weitere Einvernahme von Zeugen beantragt: „Ich kann nicht zuschauen, wie man einen jungen Menschen zum Schwerverbrecher abstempelt – da gehe ich bis zur letzten Instanz.“
Angesichts des Strafrahmens von bis zu zehn Jahren sollen nun Denifls Ex-Teamchefs Stellung nehmen, ob sie sich als Geschädigte sehen würden. Plattner: „Anzeigen oder Rückforderungen gab es keine, Einvernahmen auch nicht – und das ist bei einem Fall wie diesem üblich.“ Ein Präzedenzfall jedenfalls, obwohl vergangenen Mittwoch im Fall von Denifls Ex-Kollegen Georg Preidler am Innsbrucker Landesgericht die gleiche Frage zu Tage trat:
Zu seiner Verteidigung gab der Steirer zu Protokoll, dass sich ein französisches Team nicht geschädigt fühlte. Das Gericht war allerdings der Meinung, dass Preidler den Vertrag nie bekommen hätte, wenn bekannt gewesen wäre, dass er mit Dopingmitteln arbeite. Wegen schweren gewerbsmäßigen Sportbetruges wurde der WM-Teilnehmer (nicht rechtskräftig) zu einer bedingten Haftstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden. Das Dopingvergehen an sich bestritten weder Preidler noch Denifl, nur einen „schweren gewerbsmäßigen Sportbetrug“ wollte der Tiroler trotz des vom Staatsanwalt angeführten Schadens (580.000 Euro durch Prämien und Teamentgelt) nicht anerkennen: „Ich bin kein Verbrecher“, beteuerte der 32-Jährige, Gewinner einer Vuelta-Etappe sowie der Österreich-Radrundfahrt 2017, vor Gericht. Im Profiradsport würden Leistungen verlangt werden, die „normal“ nicht möglich seien. Er habe nach seiner Knieverletzung mit unerlaubten Mitteln begonnen. „Ich wollte mit dem Doping meine Leistung erhalten, weil das mit der Knieverletzung normal nicht mehr möglich war.“ Sein Anwalt Plattner legte nach: „Im Radsport wird zu 90 Prozent gedopt, den super-sauberen Sportler gibt es nicht.“
Denifl war erst im Zuge der Dopingermittlungen rund um die Nordische Ski-WM in Seefeld 2019 ins Fadenkreuz geraten. Erst wenige Wochen zuvor war er als Neuzugang des polnischen CCC Teams genannt worden, ehe er aus „persönlichen Gründen“ seinen Vertrag auflöste. Teammanager Jim Ochowicz will zuletzt auf Basis der offiziellen Blutwerte Denifls (Biologischer Pass) keine Auffälligkeiten erkannt haben: „Wir hätten ihn sonst nicht verpflichtet“, meinte er gegenüber dem Radsportportal cyclingnews. Eine Diversion schloss Staatsanwalt Dieter Albert indes aufgrund der Schadenshöhe aus.
Im Zuge des Prozesses wurde allerdings auch ein Krida-Verfahren eingeleitet. Denifl, für den die Unschuldsvermutung gilt, soll 112.000 Euro von Konten behoben haben, deren Existenz er verschwiegen habe.
Am 14. August wird schließlich die Causa des ebenfalls zurückgetretenen Tiroler Langläufers Harald Wurm behandelt. Ein ehemaliger Techniker und Servicemann, selbst wegen Beitrags zum Sportbetrug zu zwölf Monaten bedingter Haft verurteilt, sei mit dem 35-jährigen Vomper in engem Kontakt gestanden. Für die Saisonen 2013/14 und 2014/15 ist von Sponsorengeld in Höhe von 26.700 Euro die Rede – auch für Wurm gilt die Unschuldsvermutung. Auch Österreichs ehemaliger Langlauf-Cheftrainer Walter Mayer soll für ihn Blutbeutel besorgt haben, zuletzt widerrief das der Radstädter allerdings: Er sei von den Polizeibeamten unter Druck gesetzt worden.