Hoffnung auf einen baldigen Corona-Impfstoff wird immer konkreter
Forschungseinrichtungen rechnen noch heuer oder Anfang 2021 mit einem Impfstoff in der EU gegen Covid-19. Die beschleunigte Impfstoffentwicklung wird nicht als Risiko gesehen.
Von Liane Pircher
Innsbruck — Die jüngste Nachricht, dass weltweit bereits sechs Impfstoffkandidaten die Genehmigung für Phase-III- bzw. Phase-II/III-Prüfungen erhalten haben, sorgte diese Woche nicht nur unter Wissenschaftern für positive Stimmung. Das sei „sehr ermutigend", hieß es seitens Klaus Cichuteks, Präsident des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts. Dieses ist in Deutschland u. a. für die Genehmigung der klinischen Prüfung und Zulassung von biomedizinischen Arzneimitteln zuständig.
Abseits dieser Neuigkeiten werden — vor allem in sozialen Foren — kritische Stimmen bezüglich der Sicherheit möglicher Impfstoffe laut. Dass bei der aktuellen Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen weniger Sorgfalt oder Prüfungen angewendet werden, weist Cichutek von der Hand. Die Bewertung der Verfahren erfolge mit der gleichen Sorgfalt wie bei Impfstoffkandidaten gegen andere Infektionskrankheiten üblich: „Impfstoffentwickler müssen auch bei den Covid-19-Impfstoffentwicklungen die gleichen Kriterien erfüllen wie bei anderen Impfstoffen."
Ohne aussagekräftige Daten aus den klinischen Prüfungen, die in Phase 3 u. a. Placebo-kontrolliert und doppelt verblindet angelegt sind, kann es keine Zulassung geben: „Bei der Bearbeitung von Anträgen und der Bewertung der Daten werden keine Kompromisse gemacht, es gibt keine Zugeständnisse. Wir haben es mit einem gefährlichen Erreger zu tun, der zu einer weltweiten Pandemie geführt hat. Impfstoffe werden Menschen verabreicht, die gesund sind und gesund bleiben wollen. Vor diesem Hintergrund erfolgt die notwendige Arbeit so schnell wie möglich, aber so intensiv wie nötig", sagt Cichutek. Deshalb werden klinische Prüfungen, die normalerweise nacheinander stattfinden, kombiniert — etwa Phase I mit II oder Phase II mit III. Wenn die bald erwarteten Daten belastbar Sicherheit und Wirksamkeit zeigen würden, wären erste Zulassungsanträge für Herbst bis Ende 2020 oder Anfang 2021 möglich, so Cichutek. Ist ein Impfstoff fix zugelassen, bedeutet das, dass er langfristig tatsächlich für alle Menschen — und nicht nur für bestimmte Gruppen — zur Verfügung steht.
In welcher Menge nach Zulassung Impfstoffe zur Verfügung stehen, hängt von mehreren Faktoren ab. Dass auch in Europa generell einige Hersteller angekündigt haben, bereits im Sommer mit der Produktion zu beginnen, um im Fall der Zulassung schnell sehr große Mengen verfügbar machen zu können, sei ihr unternehmerisches Risiko, so Cichutek, und: „Das ist ein hohes Risiko, denn wenn die entsprechenden Impfstoffkandidaten keine Zulassung erhalten, müssen sie alles verwerfen, was sie produziert haben. Die Bundesregierung unterstützt Hersteller, um dieses Risiko etwas abzufedern."
Spezialklinik in Rom beginnt mit Impfungen
Das auf Infektionskrankheiten spezialisierte römische Krankenhaus „Lazzaro Spallanzani“ testet ab 24. August einen Impfstoff gegen Covid-19 an Menschen. Begonnen wird mit 90 Freiwilligen. Der Impfstoff wurde in Italien entwickelt und ist dank einer Vereinbarung entstanden, die die Regierung mit dem Spallanzani-Institut unterzeichnet hat. Für die Entwicklung des Impfstoffes wurden acht Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Er wurde von der Biotechnologie-Gesellschaft ReiThera mit Sitz in Castelromano bei Rom zusammen mit der Münchner Gesellschaft Leukocare und mit Univercells (Brüssel) entwickelt und patentiert. Die Produktion wird erst nach den Tests beginnen.
Der vorbeugende Impfstoff soll die Produktion von Antikörpern und die Aktivität der Immunzellen fördern, hieß es. Die drei Pharmakonzerne beschlossen, ihre Kräfte zu bündeln, um die Entwicklung eines Impfstoffes zu beschleunigen. Die Herausforderung sei es nun, Millionen von Impfdosen im Eiltempo zu produzieren. (APA)