Festwochen-Eröffnung mit „Leonora“: Stimmen feiern prachtvoll die Liebe
Mit Ferdinando Paërs Oper „Leonora“ wurden die 44. Festwochen der Alten Musik im Tiroler Landestheater eröffnet.
Von Ursula Strohal
Innsbruck – Im Beethoven-Jahr werden nicht nur die Notenbestände des Monolithen durchforstet, sondern auch die Erscheinungen und Stimulierungen seines Umfeldes. So sollte die Oper „Leonora“ des in seiner italienischen Heimat, dann in Wien, Dresden und Paris tätigen Ferdinando Paër heuer als Koproduktion der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik mit dem Beethovenfest Bonn und den Schwetzinger SWR Festspielen erarbeitet werden. Schwetzingen wurde zum Corona-Opfer, in Tirol setzt man bekanntlich hartnäckig bei präzisen Sicherheitsvorkehrungen abgespeckte Festspiele durch. Sie wurden Freitagabend mit „Leonora“ gestartet. Wie viel Enthusiasmus und Einsatz es bis dahin brauchte, vermittelte Betriebsdirektorin Eva-Maria Sens. Bürgermeister Georg Willi freute sich über die Rückkehr des „ewigen Gesanges“ und forderte faire Bedingungen für die Kultur ein. Kulturlandesrätin Beate Palfrader dankte dem Festwochenteam und eröffnete das Festival.
Ferdinando Paërs „Leonora“, basierend auf dem auch von Beethoven vertonten „Fidelio“-Stoff über Gattenliebe, ist nicht unbekannt, doch das Erleben des ganzen Werkes live ist nicht nur musikhistorisch der Mühe wert. Beethoven, der das Stück ultimativ überhöhte, kannte Paërs Komposition, die Partitur fand sich in seinem Nachlass. Außerdem wurde „Leonora ossia L’amor conjugale“, knapp bevor Beethovens zweite Version in Wien herauskam, dort bei dem gemeinsamen Gönner Lobkowitz in einer Privataufführung gegeben. In Innsbruck präsentierte Festwochen-Intendant Alessandro De Marchi nun die Erstaufführung der kritischen Neuausgabe.
Paërs „Leonora“, noch in der Tradition der Schreckens- und Rettungsopern, ist dramatisch lebhaft, als Opera semiseria in einer Mischform gehalten, die die hehre Handlung mit komödiantischen Elementen kreuzt. Das gelingt nicht immer, zum Beispiel sprengt die liebestolle Marcellina die Kerkerszene. Die Musik macht die Personen kenntlich, sie haben anspruchsvolle, imposante, mehrteilige Arien, die mitunter schon die „Szene und Arie“-Form erreichen. Verschiedene Rezitative gehen voran, die mit ihren belcantonahen Melodien, oft weiten Intervallsprüngen und nachhaltigen Emotionen die Sänger fordern und ihnen dennoch Raum geben. Das ermöglicht natürlich auch Alessandro De Marchi am Pult des Innsbrucker Festwochenorchesters, das in der Corona-bedingten konzertanten Aufführung auf der Bühne postiert ist. Obwohl Bläserstimmen solistischen einsetzt sind, ist in De Marchis federndem, individuelle Stimmungen malendem Dirigat dadurch die Balance zugunsten der Streicher verschoben. Das Naturhorn wird längst schon besser beherrscht.
Gesungen wird erstklassig von Solisten, die auf großen Bühnen zu Hause sind und überwiegend bei den Festwochen schon zu erleben waren. Die Ausnahme, Eleonora Bellocci, erfüllt die Leonora mit ihrem leuchtenden, herrlichen Sopran und angemessenem Pathos. Cesti-Preisträgerin Marie Lys kann als Marcellina ihre lichte Wendigkeit zeigen, beide Frauen lassen höhensicher Koloraturen blitzen. Paolo Fanale schenkt dem Florestano ausdrucksstark seinen Klassetenor, Kressimir Spicer setzt seine Stimme autoritär für den Minister ein. Drei prachtvolle dunkle Stimmen in souveräner Gestaltung ihrer Partien: Renato Girolami als Rocco, Carlo Allemano als Pizzarro und Luigi De Donato als Giachino. Bühnenprofis mit selbstverständlicher Interaktion auch ohne Kostüme und Bühnenbild, die Regisseurin Mariame Cléments Unterstützung gerne umsetzten.