Lukaschenko zum Sieger in Weißrussland erklärt

Die Wahlkommission in Weißrussland (Belarus) hat Staatschef Alexander Lukaschenko zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. Der 65-Jährige habe 80,23 Prozent der Stimmen bei dem Urnengang am Sonntag erzielt, hieß es. Lukaschenkos Gegnerin, Swetlana Tichanowskaja, kam demnach nur auf 9,9 Prozent der Stimmen. Der Bekanntgabe waren blutige Ausschreitungen in der Nacht vorangegangen.

Tichanowskaja forderte Lukaschenko zum Rückzug auf und erklärte sich selbst zur Wahlsiegerin. Die Regierung müsse darüber nachdenken, „wie sie die Macht friedlich an uns übergeben kann“, sagte Tichanowskaja am Montag. „Ich betrachte mich selbst als die Gewinnerin dieser Wahl.“

Sie hatte bereits angekündigt, eine Niederlage nicht anzuerkennen. Ihre Unterstützer hatten zu Tausenden gegen Lukaschenko und Wahlfälschungen protestiert. In der Hauptstadt Minsk setzten die Sicherheitskräfte Wasserwerfer, Gummigeschosse und Blendgranaten gegen die Demonstranten ein. Laut Bürgerrechtlern wurde bei den Protesten ein Mensch getötet. Ein junger Mann sei von einem Polizeiauto angefahren worden und sei dabei tödlich am Kopf verletzt worden, teilte die Menschenrechtsorganisation Viasna am Montag mit. Laut Innenministerium soll es landesweit 3.000 Festnahmen und rund 100 Verletzte gegeben haben. Dass auch ein Mensch getötet wurde, wies man zurück.

Nach Angaben von Beobachtern sollen sich in Minsk bis zu 100.000 Menschen an den Demonstrationen beteiligt haben. Auf Videos war etwa zu sehen, wie Demonstranten aus Müllcontainern Barrikaden errichteten. Menschenmassen zogen durch die Straßen - auch in anderen Städten des Landes. In sozialen Netzwerken wurden immer wieder Videos veröffentlicht, wie Polizisten brutal auf Menschen einprügelten. Auch Demonstranten attackierten Polizisten, um Festnahmen zu verhindern. Es gab viele Bilder von blutüberströmten Menschen.

In der Früh beruhigte sich die Lage. In sozialen Netzwerken kündigten Aktivisten aber neue Proteste an, um gegen Wahlfälschung und den angeblichen Sieg von Staatschef Alexander Lukaschenko zu demonstrieren.

Lukaschenko bezeichnete die Demonstranten am Montag als vom Ausland ferngesteuerte „Schafe“. Die Behörden hätten Demonstranten abgehört und „Anrufe aus dem Ausland aufgezeichnet“, sagte Lukaschenko laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta am Montag bei einem Treffen mit dem Leiter einer Wahlbeobachtermission aus ehemaligen Sowjetrepubliken. „Es gab Anrufe aus Polen, Großbritannien und Tschechien. Sie habe unsere - verzeihen Sie mir - Schafe gesteuert“, sagte Lukaschenko. Er werde nicht zulassen, dass das Land „auseinandergerissen“ werde.

Ziel Tichanowskajas war es im Wahlkampf, die Abstimmung zu gewinnen, als Präsidentin alle politischen Gefangenen freizulassen und dann freie Neuwahlen anzusetzen. Sie kandidiert an Stelle ihres Ehemanns Sergej Tichanowski. Der regierungskritische Blogger sitzt wie der frühere Banken-Chef Viktor Babariko in Haft - wegen Anschuldigungen, die als politisch inszeniert gelten.

Tichanowskaja wollte daher von einer Niederlage nichts wissen: „Es kann keine Anerkennung eines solchen Wahlergebnisses geben“, sagte ihre Sprecherin Anna Krasulina. Es sei damit zu rechnen gewesen, dass die staatlichen Prognosen Lukaschenko rund 80 Prozent der Stimmen zuschreiben würden. „Das ist fern jeder Realität.“

Die Oppositionskandidatin rief die Sicherheitskräfte zugleich zum Gewaltverzicht auf. „Ich möchte Polizei und Militär daran zu erinnern, dass sie Teil des Volkes sind“, sagte sie nach Angaben ihres Wahlkampfstabs. An ihre Anhänger appellierte sie, Provokationen zu unterlassen. „Ich weiß, dass die Menschen in Belarus morgen in einem neuen Land aufwachen werden“, meinte Tichanowskaja.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen übte via Twitter deutlich Kritik: „Die Bedrohung und gewaltsame Unterdrückung friedlicher Demonstranten hat in Europa keinen Platz.“ Sie forderte die Behörden in Minsk auf, „sicherzustellen, dass die Stimmen genau gezählt und veröffentlicht werden“. Auch EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilte das aggressive Einschreiten von Sicherheitskräften scharf. „Die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die grundlegenden Menschenrechte müssen gewahrt werden“, forderte der Belgier am Montag. „Gewalt gegen Demonstranten ist nicht die Antwort.“

Das österreichische Außenministerium verurteilte am Montag „entschieden die Gewalt gegen friedliche Demonstranten“ und forderte die weißrussischen Behörden dazu auf, „die willkürlich verhafteten Menschenrechtsverteidiger und Journalisten umgehend freizulassen“. Österreich verfolge die jüngsten Entwicklungen in Weißrussland „mit großer Sorge“, hieß es. Die Wahl habe nicht internationalen Standards entsprochen. „Die politische Stabilität in Belarus wird nur durch Dialog und Respekt für grundlegende Menschenrechte aufrecht zu erhalten sein“, so das Außenministerium.

Auch die Grünen kritisierten die „Staatsgewalt“ nach der Präsidentschaftswahl in Weißrussland. „Ich verurteile die brutale Gewalt gegen friedliche Menschen, die für ihre politischen und bürgerlichen Rechte eintreten, auf das Allerschärfste“, betonte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic.

Polen und Litauen riefen die autoritäre Führung in Minsk ebenfalls zum Gewaltverzicht auf. In einer gemeinsamen Erklärung wandten sich die beiden Staatsoberhäupter Andrzej Duda und Gitanas Nauseda an die weißrussischen Behörden. Polen forderte einen EU-Sondergipfel zu der Wahl. „Wir müssen das weißrussische Volk in seinem Bestreben nach Freiheit unterstützen“, so Polens Premier Mateusz Morawiecki.

Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping gratulierten Lukaschenko erste Staatschefs zu seinem angeblichen Sieg. Die Beziehungen zwischen den beiden benachbarten „Brüdervölkern“ sollten gestärkt werden, schrieb Putin nach Kreml-Angaben am Montag in einem Glückwunschtelegramm. Auch Xi betonte, dass er die Entwicklung zwischen China und Belarus sehr schätze.

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