Grippe oder Corona? Der Herbst wird eine Herausforderung
Das Corona-Infektionsgeschehen nimmt mit der kälteren Jahreszeit zu, gleichzeitig beginnt die Saison der grippalen Infekte. Ärzte müssen dann schnellstmöglich klären, um welches Virus es sich handelt. Das Gesundheitssystem ist massiv gefordert.
Von Brigitte Warenski
Innsbruck – Im Herbst nimmt das Corona-Infektionsgeschehen zu, sind sich alle Wissenschafter einig. Zugleich nehmen kältebedingte Infekte, Schnupfen, Halsweh und grippalen Infekte zu.
Wenn der „worst case“ eintritt, beginnt zudem die Influenzasaison außergewöhnlich früh. 2019 gab es bereits im November in Tirol die ersten Grippekranken. Treffen dann saisonale Infekte auf Covid-19, werden eine gute Diagnostik und rasches Handeln umso wichtiger. Politik, Ärzte und Kliniken sind daher bereits damit beschäftigt, sich für alle Fälle zu rüsten. „Es wird eine große Herausforderung“, ist sich Artur Wechselberger, Präsident der Tiroler Ärztekammer, sicher. Besonders gefordert werden die rund 330 niedergelassenen Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag sein. „Im Schnitt kommen da in der Grippesaison bis zu 30 Patienten in die Ordination und heuer heißt es, am besten noch im Vorfeld zu klären, ob darunter ein Corona-Verdachtsfall ist“, sagt Wechselberger.
Erfahrungen über die richtigen Abläufe bei Verdachtsfällen habe man im ersten Halbjahr „zur Genüge gesammelt, nun geht es darum, die Maßnahmen weiterzuführen, damit Praxen nicht zu Infektionsquellen werden“, sagt Wechselberger. Besonders wichtig sei hier z. B. die Möglichkeit der Nutzung der telemedizinischen Betreuung. Die Hotline 1450, Rezepte per Mail direkt an die Apotheken oder die telefonische Krankschreibung – „wir haben die entsprechenden Technologien zur Verfügung, die die Situation im Herbst entschärfen können“.
Umso weniger versteht der Ärztekammerpräsident die geplante Einstellung der telefonischen Krankmeldung ohne Arztbesuch mit Ende August durch die Österreichische Gesundheitskasse. Kommen mehr Patienten in die Ordinationen, steigt die Ansteckungsgefahr für andere Patienten und für Ärzte und deren Mitarbeiter, kritisiert Wechselberger.
Was in Tirol noch fehlt und unabdingbar für Wechselberger ist: „Wir brauchen Tests, deren Ergebnisse in Stunden und nicht in einem Tag landesweit zur Verfügung stehen, also auch für einen Patienten, der im hinteren Zillertal wohnt.“ Es wird wesentlich sein, „dass schnellstmöglich Klarheit besteht, was ein saisonaler Infekt und was eine Covid-Erkrankung ist, denn im zweiten Fall geht es auch um ein rasches Auffinden der Kontaktpersonen“. Nicht mehr vorkommen dürfte zudem, dass es in Arztpraxen an Schutzausrüstung fehlt. Hier zählt der Ärztekammerpräsident auf die Versorgung durch das Land Tirol.
Im Dauereinsatz ist derzeit vor allem Elmar Rizzoli, Leiter des Corona-Einsatzstabes des Landes Tirol. „Das Gesundheitssystem ist massiv gefordert, wenn sich Grippe- und Corona-Welle überlagern“, sagt Rizzoli. Daher hat die Landesregierung bereits im Juni personelle Vorsorge getroffen und bis zu 15 weitere Planstellen zur Bewältigung der Corona-Krise beschlossen. „Das Ziel ist, die Ressourcen der Landesverwaltung zusätzlich zu unterstützen – dies gilt umso mehr für die Bezirkshauptmannschaften als zentrale Drehscheiben bei den Maßnahmensetzungen“, so Rizzoli.
Eingerichtet wird laut Rizzoli auch ein Team „Epidemiologie“ in der Landesverwaltung, „das den Bezirksverwaltungsbehörden als Gesundheitsbehörden massiv unter die Arme greifen wird. Speziell im Bereich des aufwändigen Contact-Tracings“. Ausgeweitet werden die Testungen. „In jedem Bezirk wird es eine Screening-Straße geben, für Fälle in exponierteren Regionen kommen die mobilen Teams zum Einsatz. Und wo ein größerer Cluster auftritt, gibt es eine spezielle Einheit des Roten Kreuzes“, klärt Rizzoli auf. Die Sorge vor fehlender Schutzausrüstung will er den Ärzten nehmen: „Das Land hat mit einem strategischen Lager vorgesorgt, sollte es zu Engpässen auf dem Weltmarkt kommen.“
An der Innsbrucker Klinik ist laut Pressesprecher Johannes Schwamberger „die Personaleinsatzplanung ein wichtiger Punkt bei der Vorbereitung auf eine mögliche zweite Welle. Wie wir bei der ersten Welle gelernt haben, können wir schnell und flexibel reagieren.“ Derzeit wird vor Betreten der MZA-Notaufnahme gescreent, nehmen die Fallzahlen zu, „wird die eigene Screening-Ambulanz wieder in Betrieb genommen“