Ernst Molden im Interview: „Leute freuen sich wie Kinder zu Weihnachten“
Ab Mittwoch konzertiert Ernst Molden mit guten Freunden – etwa Willi Resetarits und Nino aus Wien – in Hall. Ein Gespräch über Gemeinsamkeit trotz Sicherheitsabstand, Streaming-Einsamkeit und Zynismus in der Kulturpolitik.
Das Festival „Ernst Molden & Friends“ hätte im Juni im Haller Hofratsgarten stattfinden sollen, jetzt wird es ab Mittwoch an drei Abenden nachgeholt.
Ernst Molden: Und das ist toll. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Veranstaltern: Die, die gesagt haben, wir müssen Corona aussitzen und stillhalten und hoffen, dass alles wieder wird wie vorher. Und die, die sich etwas einfallen lassen. Die sind jetzt besser dran. Andreas Ablinger, der die Konzerte in Hall organisiert, hat Alternativszenarien erarbeitet. Dafür soll er jetzt belohnt werden.
Nach dem Motto: Jetzt erst recht?
Molden: Das wäre ein politisch ziemlich belastetes Motto. Aber es stimmt schon. Ich hab’ inzwischen ein paar Konzerte gespielt – und kann nur sagen, die Stimmung ist ganz besonders. Die Leute freuen sich wie Kinder zu Weihnachten. Es geht auch darum zu zeigen, dass man mit den neuen Vorgaben umgehen kann, ohne gleich Angst zu verbreiten. Wir sind dankbar, dass wir wieder spielen können. Und das Publikum ist dankbar, dass wir wieder spielen. Manches, das Routine war, erlebt man jetzt bewusster.
Schaden Sicherheitsvorgaben der Stimmung nicht?
Molden: Auch wenn ein Meter mehr zwischen den Menschen ist, ist man doch zusammen, man teilt eine Erfahrung. Ich habe bei einigen Streamingkonzerten mitgemacht, aber schnell die Lust daran verloren, weil es nicht „the real thing“ ist. Ich sitze vor dem Computer und zehn oder hundert Leute schauen vor ihren Kisten zu. Jeder für sich ist einsam.
Sie haben in der Corona-Zeit auch Balkonkonzerte gegeben.
Molden: Meine Frau hat mir die Videos aus Italien gezeigt und unsere Wohnung hat diesen kleinen Balkon, der wie eine spitze Nase über der Landstraße hängt. Zum Garteln ist er zu klein, zum Ignorieren zu groß, aber für mich und einen Verstärker hatte er Platz. Und wenn wir ein bisschen zusammenrücken, hat auch mein Sohn mit der Bassgitarre Platz. Für mich waren die Konzerte auch wichtig, weil sie die Tage und Wochen strukturiert haben. Schließlich war das Ende der Situation nicht absehbar – und an echte Entspannung war nicht zu denken. Auch mit dem Schreiben und Komponieren tat ich mir da schwer.
Gerade im Umgang mit der Kultur- und Kreativbranche hat sich die Politik nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Molden: Dass Amtsträger offensichtlich nicht wussten, wie wir arbeiten, war erschreckend. Plötzlich waren wir ein illegales Gewerbe, wie die Schnapsbrenner in der Prohibition oder die Huren in einem puritanischen Land. Künstler sind nach wie vor fahrendes Volk, leben von Tag zu Tag, von Konzert zu Konzert. Es gab in meinem Umfeld Härtefälle, begnadete Musiker, die jedes Konzert brauchen, um die Miete zu zahlen – und die über Nacht vor dem Nichts standen. Nach zwei Monaten Stillstand wird’s auch bei mir eng. In dieser Situation ist offenes Unverständnis mehr als schmerzhaft. Die Politik setzt Kultur voraus – und tut die Sorgen der Szene lapidar mit „Die machen das schon“ ab. Dabei geht es nicht nur um die Künstler. Es geht um den ganzen Apparat drumherum, der nur dank Selbstausbeutung läuft. Kurz vor dem Lockdown besuchten Werner Kogler und Sigrid Maurer (beide Grüne, Anm.) kurzfristig ein Konzert von mir in der Wiener Sargfabrik. Der Veranstalter fand einen Platz für sie, sie wurden empfangen, genossen das Konzert und haben sich dafür bedankt. Ein paar Wochen später tritt Kogler auf und legt Sachen auf den Tisch, die die Grenze des Zynismus weit überschritten haben. Er hätte sagen können, dass man nicht weiß, wie ansteckend Veranstaltungen sind. Er hätte um Geduld bitten und Unterstützung in Aussicht stellen können. Aber er hat die Leute mit einem „mal schauen“ in die Kälte geschickt. Zum Glück hat unser großer Altvorderer Lukas Resetarits schnell die richtigen Worte gefunden. Den Kottan haben wir gebraucht, sonst wär’ nichts weitergegangen.
Im Kulturstaatssekretariat gab es daraufhin einen Wechsel: Andrea Mayer folgte auf Ulrike Lunacek.
Molden: Mayer kennt das Geschäft. Sie weiß, was möglich und was lächerlich ist. Bis jetzt hat es keinen Kulturfall gegeben. Auch die positiv getestete Mitarbeiterin der Salzburger Festspiele hat sich daheim angesteckt. Alle passen auf. Alle benehmen sich, weil sie wollen, dass es weitergeht, weil wir weitermachen müssen – wir haben ja nichts anderes gelernt.
Nach Hall haben Sie langjährige Wegbegleiter eingeladen. Mit Willi Resetarits stehen Sie seit mehr als einem Jahrzehnt auf der Bühne.
Molden: Willi ist mein Zen-Meister, er sagt, ich mache. Ich folge ihm bedingungslos. Er ist der beste Sänger des Landes. Ich höre nicht auf, auf ihn zu hören und von ihm zu lernen.
Was verbindet Sie mit dem Nino aus Wien?
Molden: Nino ist 20 Jahre jünger als ich. Aber das spüre ich nicht. Ich spüre nur eine große dichterische Verbundenheit. Nino wirft mir etwas vor die Füße, an dem ich zu kauen habe. Man muss sich plagen, um dem, was er vorlegt, gerecht zu werden.
Soll die Konzertreihe in Hall künftig regelmäßig stattfinden?
Molden: Es ist angedacht. Ich kann nur hoffen, dass ich wiederkommen darf.
Gemeinsam mit Charlie Bader haben Sie ein eigenes Plattenlabel gegründet.
Molden: Ich bin jetzt Plattenboss (lacht). Im Grunde sind wir ein Dreigestirn: Charlie, meine Frau Veronika und ich. Ich war lange bei Monkey Music von Walter Gröbchen, dem ich viel verdanke. Walter musste Entscheidungen treffen – und hat sich durchgesetzt, weil er der Boss war. Damit habe ich nicht gehadert, aber ich wollte mich eben auch mal als Entscheidungsträger versuchen. Zunächst ging es vor allem um meine eigenen Sachen. Inzwischen gibt es eine Reihe großartiger Künstlerinnen und Künstler, deren Arbeiten wir begleiten und veröffentlichen. Auch das macht mich glücklich.
Das Gespräch führte Joachim Leitner
Ernst Molden & Friends
📅 19. bis 21. August, Hofratsgarten/Burg Hasegg, Hall.
🎟️ Das Auftaktkonzert von Ernst Molden, Willi Resetarits, Walther Soyka und Hannes Wirth ist ausverkauft. Für die Tage zwei und drei gibt es noch Restkarten.
ℹ️ Infos: www.burgsommer-hall.at