Konflikt zwischen WWF und Schafbauern im Bezirk Landeck eskaliert
Beim Herdenschutz klaffen die Standpunkte weit auseinander: Bauern halten Elektrozäune auf extrem gelegenen Almen für „blanken Horror“.
Landeck, Innsbruck – Der Tiroler Europarechtsexperte Walter Obwexer rät der Politik im Alpenraum zu einem koordinierten Vorgehen, um den Schutzstatus des Wolfes zu senken. Zentraler Ansatzpunkt ist für ihn eine Änderung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie das Pochen auf eine Gleichbehandlung aller EU-Staaten bei Ausnahmeregelungen. „Die EU ist verpflichtet, die Gleichheit der Mitgliedsstaaten zu achten.“
Deshalb müsse sie nach entsprechendem politischen Verlangen tätig werden und für jene Länder, in denen Probleme mit dem Schutzstatus des Wolfes entstanden seien, vergleichbare Ausnahmeregelungen vorschlagen, wie sie bereits für einige Mitgliedsstaaten gelten, sagt Obwexer und nennt Griechenland, Spanien, Finnland, Polen oder die Slowakei. Es gehe um die Reduktion des Schutzes in sensiblen Gebieten wie dem intensiv bewirtschafteten Alpenraum oder dem Umkreis von Wohngebieten.
Die Herdenschutz-Demo mit Lamas, Hirtenhunden und Elektrozaun, die der Tösner Schafbauer Thomas Schranz kürzlich bei Pfunds im Beisein von WWF-Funktionären gezeigt hat (die TT berichtete), stößt bei der bäuerlichen Standesvertretung auf Empörung. „Das war eine Showeinlage, ein Bluff. Das lassen wir uns nicht bieten", ärgert sich Bezirksbauernobmann Elmar Monz. Dass Schafe vor Wölfen auf extrem gelegenen Almen nicht geschützt werden können, begreife man mit gesundem Hausverstand.
Der Tösner Herdenschützer sei „vom WWF gekauft", so der Obmann. Was dieser postwendend zurückweist: „Ich leiste mir eine eigene Meinung und lasse mich von niemandem kaufen." WWF-Sprecher Florian Kozak klärte gestern auf: „Schranz hat von uns eine Aufwandsentschädigung für den Infotag bekommen."
Langer Weg, um die EU zu überzeugen
Rasch geht gar nichts. Hier muss Europarechtsexperte Walter Obwexer Tirols Schafbauern enttäuschen. Er schließt aber nicht aus, dass eine Änderung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) möglich sei. Um den Schutzstatus des Wolfes zu verringern und die Entnahme von „Problemwölfen“ zu erleichtern.
▶️ Obwexer „Mit rechtlichen Argumenten wie der Gleichbehandlung aller EU-Staaten bei Ausnahmen vom hohen Schutzstatus und politischen Initiativen wie Resolutionen der ARGE Alp oder der Euregio Tirol-Südtirol-Trentino sollte es möglich sein, in den kommenden Jahren eine Änderung zu erwirken.“
Einfach sei das nicht, aber auch nicht unmöglich, so Obwexer. Am Ende müsse jedoch stets der EU-Rat zustimmen; im Gesetzgebungsverfahren mit einfacher Mehrheit – im Verfahren zur Änderung der Anhänge zur FFH-Richtlinie benötigt es einen einstimmigen Beschluss.
Der langjährige Obmann des Schaf- und Ziegenzuchtvereins in Zams, Hermann Hammerl, schüttelt nur noch den Kopf. „Elektrozäune auf unserer teils felsigen Alm in den Lechtaler Alpen aufzustellen, wäre ein Wahnsinn. Dort frequentieren täglich rund 150 Leute den E5-Weitwanderweg. Sie alle müssten einen unzumutbaren Umweg machen."
Robert Hueber, der 200 Schafe auf eine Alm bei Spiss aufgetrieben hat, sagt empört: „Die Schafweiden einzuzäunen bedeutet Sisyphusarbeit. Diese Zäune sind blanker Horror. Wir wollen freie Schafweiden, wie wir sie immer gehabt haben." Und: Der Wolf habe im Alpenraum nichts verloren. „Er muss weg. Sonst wird keiner mehr Schafe auf die Alm auftreiben."
„Der WWF fordert Herdenschutz von uns ein, stellt selbst aber kein Geld zur Verfügung", schildert eine Bäuerin aus Fließ. „Andererseits wirbt der WWF um Geld für Wolfspatenschaften. Das passt nicht zusammen."
„Herdenschutz-Kämpfer" Schranz lässt sich nicht beirren: „Ich gehe meinen Weg und will aufzeigen, wie man seine Herde effizient vor Beutegreifern schützen kann." Das sei auch auf felsigen Weiden möglich. „Kollegen auf einer extrem gelegenen Alm bei Taufers an der Grenze zur Schweiz beweisen mir das. Wolfsübergriffe sind dort unbekannt." (hwe)