Opposition in Weißrussland ruft zu weiteren Streiks auf
Die Gegner des Machthabers Alexander Lukaschenko in Belarus (Weißrussland) haben zu einer Ausweitung der Streiks in den Staatsbetrieben im ganzen Land aufgerufen. „Streiks sind eine völlig legale und wichtige Waffe gegen das Regime“, sagte die Anführerin der Demokratiebewegung, Swetlana Tichanowskaja, in einem per Video am Freitag verbreiteten Aufruf an die Mitarbeiter der Staatsbetriebe.
Durch die Streiks, die bereits seit Tagen laufen, soll dem Machtapparat die wirtschaftliche Basis entzogen werden. Tichanowskaja appellierte aus ihrem Exil im EU-Nachbarland Litauen an ihre Landsleute, sich nicht einschüchtern zu lassen von Drohungen Lukaschenkos.
Die autoritäre Führung hat den Arbeitern mit Entlassung gedroht, sollten sie die Arbeit niederlegen. Die Opposition spricht hingegen von einem Recht auf Streik. „Schließt Euch zusammen!“, sagte Tichanowskaja. Schon jetzt hätten die Menschen durch die Einheit viel erreicht. Zugleich sicherte sie erneut jenen Hilfe zu, die durch die Streiks in Existenznot gerieten. Es sei inzwischen ein Millionenbetrag zusammengekommen, um Bedürftigen zu helfen. Die Spendenbereitschaft für den Solidaritätsfonds war demnach hoch.
Lukaschenko, den sie nie mit Namen nennt, versuche den Menschen das Land zu stehlen. „Um die Willkür zu beenden, müssen wir uns zusammenschließen“, sagte Tichanowskaja. Ziele der Opposition seien ein Ende der Gewalt gegen Andersdenkende, die Freilassung aller politischen Gefangenen und faire und freie Neuwahlen für das Präsidentenamt. Lukaschenko hatte sich bei der Wahl am 9. August mit 80 Prozent zum Sieger erklären lassen. Die Opposition sieht dagegen Tichanowskaja als neue Präsidentin.
In der Bevölkerung machte sich unterdessen Panik breit, dass Konten gesperrt werden könnten, um Überweisungen zur Unterstützung der Demokratiebewegung zu verhindern. Es gab zahlreiche Berichte, dass Bürger aus Angst vor solchen Maßnahmen des Staates ihre Konten leerräumten. Eine offizielle Bestätigung gab es nicht. In Minsk waren auch am Freitag landesweit Straßenproteste gegen Lukaschenko geplant. Zudem demonstrieren immer wieder Unterstützer Lukaschenkos.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas verglich unterdessen die Demonstrationen in Weißrussland mit dem Prager Frühling vor 52 Jahren. „Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Belarus bekommen die Ereignisse des Jahres 1968 eine neue Aktualität: Auch die Belarussinnen und Belarussen fordern Veränderung in ihrem Land“, sagte Maas in Berlin am Freitagmorgen vor dem Abflug in das EU-Land Slowakei.
Maas will sich in Bratislava nicht nur mit der slowakischen Präsidentin Zuzana Čaputová, Premierminister Igor Matovič und seinem Amtskollegen Ivan Korcok treffen. Zusammen mit Korcok will er auch einen Kranz am Mahnmal für die Opfer des von Truppen des Warschauer Pakts 1968 niedergeschlagenen Aufstands niederlegen.
Auch die Bürger der damaligen Tschechoslowakei hätten beim sogenannten ‚Prager Frühling‘ größere Freiheiten und ein besseres Leben gefordert, sagte Maas in Anspielung auf Belarus. Die Niederschlagung hatte 1968 in der Nacht vom 20. auf den 21. August begonnen. In der jetzigen Belarus-Krise haben die EU-Staaten Russland aufgefordert, nicht militärisch in dem Nachbarland einzugreifen.