Tichanowskaja tritt bei Neuwahl in Weißrussland nicht an

Die weißrussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja will bei einer Neuwahl nicht als Kandidatin für das Präsidentschaftsamt antreten. „Ich plane nicht, selber ins Rennen zu gehen“, sagte Tichanowskaja der Agentur Tass. Auch ihr Ehemann sei nicht interessiert. Allerdings plädierte sie auch dafür, dass Lukaschenko nicht mehr Präsident wird. Lukaschenko warnte indes vor einer Revolution.

Die Bevölkerung werde sich nicht auf einen Kompromiss einlassen, solange der autoritär regierende Staatschef Alexander Lukaschenko im Amt bleibt. Die Weißrussen würden Lukaschenko „niemals“ als Präsidenten akzeptieren, sagte Tichanowskaja am Freitag bei ihrer ersten Pressekonferenz seit ihrer Flucht nach Litauen. Die Weißrussen wollten einen politischen Wandel. Lukaschenko beschuldigte unterdessen das Ausland, hinter den Massenprotesten in seinem Land zu stecken.

„Ich hoffe, dass der gesunde Menschenverstand überwiegt und der Ruf der Menschen gehört wird, damit es Neuwahlen geben kann“, sagte Tichanowskaja. Die Menschen in Belarus würden die Gewalt, die sie erlebt hätten, „nie verzeihen und nie vergessen“. Alle Belarussen lebten in Angst. „Doch wir müssen all unsere Ängste überwinden und weitere Schritte gehen“, forderte die Oppositionspolitikerin.

Seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 9. August gibt es in Belarus Massenproteste gegen den laut offiziellem Wahlergebnis mit 80 Prozent der Stimmen wiedergewählten Lukaschenko. Die Protestbewegung wirft dem seit 26 Jahren autoritär regierenden Staatschef massiven Wahlbetrug vor.

Die Sicherheitskräfte gingen mit teils brutaler Gewalt gegen die Demonstranten vor. Tausende Menschen wurden vorübergehend festgenommen. Viele berichteten nach ihrer Freilassung von Folter und Misshandlung im Polizeigewahrsam. Drei Menschen starben während der Proteste. Wegen der Gewalt gegen friedliche Demonstranten hatten die EU-Außenminister vergangene Woche neue Sanktionen gegen die belarussische Führung auf den Weg gebracht. Lukaschenkos Wahlsieg erkannte die EU nicht an.

Auch am Freitag protestierten in der Hauptstadt Minsk wieder tausende Menschen gegen die Regierung. Zwischen dem Mahnmal für die Opfer des Stalinismus und dem Okrestina-Gefängnis, in dem viele Oppositionelle inhaftiert sind, bildeten die Demonstranten eine Menschenkette. Sie hielten Flaggen, Blumen und Bilder von verletzten Regierungskritikern in die Höhe.

Vor neuen angekündigten Protesten der Demokratiebewegung hat Staatschef Lukaschenko am Samstag bei einem Militärbesuch vor einer Revolution im Land gewarnt. Es werde vom Ausland versucht, Belarus eine Revolution aufzuzwingen, sagte Lukaschenko nach Landung auf einem Truppenübungsplatz in der Nähe von Grodno im Westen des Landes.

Es müssten die „härtesten Maßnahmen“ getroffen werden, sagte der Staatschef in Uniform, um die Einheit des Landes zu bewahren. Lukaschenko behauptete, dass es eine Gefahr vom Westen - vom EU-Land Polen - und von der NATO gebe, sich die Region mit dem Zentrum Grodno einzuverleiben. In der Region wehten schon polnische Flaggen, meinte er. „Das Vaterland ist in Gefahr“, hatte er am Freitag gesagt. Kritiker werfen ihm vor, grundlos Spannungen zu schüren und die „militärische Karte“ zu spielen, um von der schweren innenpolitischen Krise im Land abzulenken.