Grenzkontrollen

Nach Rückreise-Chaos am Wochenende: Kontroll-Nerven liegen blank

In Tirol gibt es an den Grenzen kein Problem, auch weil wenige Kroatien-Urlauber über den Brenner einreisen. Es wird stichprobenartig kontrolliert.
© Foto TT/Rudy De Moor

Nach den Urlaubsheimkehrern bzw. Durchreisenden stecken jetzt auch die Politiker im Stau. Das Chaos vom Wochenende wird mit gegenseitigen Schuldzuweisungen aufgearbeitet. Für den Verwaltungsexperten Peter Bußjäger reiht sich das Stau-Chaos in eine Serie von Abstimmungsproble-men bei Corona-Verordnungen ein.

Innsbruck, Wien – Das Wochenende wirkt nach, das Stau-Chaos wegen der Gesundheitskontrollen bei der Einreise aus Slowenien nach Kärnten sorgt jetzt für gegenseitige Schuldzuweisungen. Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) kritisiert, dass bei den Kontrollen nicht verhältnismäßig vorgegangen worden sei. Kärntens LH Peter Kaiser (SPÖ) wiederum forderte eine bessere Abstimmung, weil in der Verordnung auf eine Verpflichtung für Durchreisende hingewiesen werde, eine Erklärung zu unterschreiben, dass sie ohne Zwischenstopp Österreich durchqueren und das Land wieder verlassen.

Der Verwaltungsrechtsexperte Peter Bußjäger, Direktor des Instituts für Föderalismusin Innsbruck, ortet Kommunikationsprobleme zwischen den Zentralbehörden und den Ländern bzw. Bezirkshauptmannschaften. „Das ist schon seit einiger Zeit der Fall.“ Vor allem wenn Verordnungen quasi über Nacht erlassen werden, benötige es eine gute Abstimmung, so Bußjäger. „Auch über den Handlungsspielraum vor Ort.“ Schlussendlich gehe es auch um die Verhältnismäßigkeit.

Bußjäger spricht sich für mehr Leadership der EU-Kommission aus. „Bei der Situation rund ums Reisen müsste sie die Länder an einen Tisch holen und einen Leitfaden vorgeben.“ Es benötige eine abgestimmte Vorgangsweise, ansonsten entstehe nur Verwirrung und Verunsicherung.

Es geht um die Verhältnismäßigkeit

Im Prinzip geht es einzig und allein um die Verhältnismäßigkeit bei den Gesundheitskontrollen an den österreichischen Grenzen. Ob die am Samstag im Schnellverfahren in Kraft getretene Verordnung für die Ein- bzw. Durchreise aus Risikogebieten wie Kroatien diese hergegeben hat, darüber ist jetzt ein heftiger Streit entbrannt. Demnach müssen Durchreisende eine Erklärung unterschreiben, dass sie ohne Zwischenstopp Österreich durchqueren und das Land wieder verlassen. Einreisende wiederum müssen ein längeres Formular mit zahlreichen persönlichen Daten ausfüllen.

Rudolf Anschober Grüne
(Gesundheitsminister): „ Bei den Kontrollen ist verhältnismäßig vorzugehen, Kärnten hat das offensichtlich nicht verwirklicht.“
© APA (Archiv)

An den Grenzen in Kärnte­n kam es deshalb am Sonntag zu stundenlangen Staus. Die Behörden haben dort die Verordnung im Gegensatz zu anderen Bundesländern rigoros umgesetzt. Die Reisenden mussten zehn bis zwölf Stunden Wartezeit über sich ergehen lassen. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), nach dessen Gespräch mit dem Gesundheitsministerium am Sonntag die Kontrollen nur noch stichprobenartig durchgeführt wurden und sich die Situation entspannte, forderte am Montag eine bessere Abstimmung.

Bereits in der Vergangenheit habe man immer wieder darauf hingewiesen, dass man detaillierte Anweisungen möchte, in welcher Intensität kontrolliert werden soll und wie Kontrollen zu erfolgen hätten. Nicht zuletzt sei es notwendig, dass Erlässe „rechtssicher und eindeutig“ seien und von allen klar umgesetzt werden könnten. „Lieber mehrmals zu viel als einmal zu wenig kommunizieren.“

Peter Kaiser (Landeshauptmann): Lieber mehrmals zu viel als einmal zu wenig kommunizieren. Mehr Klarheit ist notwendig.“
© APA

Gesundheitsminister Rudol­f Anschober (Grüne) ließ das wiederum nicht auf sich sitzen. Man habe im Vorfeld über die neuen Formulare informiert. Bei den Kontrollen sei verhältnismäßig vorzugehen, Kärnten habe das „offensichtlich nicht“ verwirklicht, befand Anschober. „Die Einreiseverordnung ermächtigt die Länder und die lokalen Gesundheitsbehörden, entsprechende Kontrollen durchzuführen, die aufgrund der Pandemie erforderlich sind. Wichtig ist, generell bei den Kontrollen verhältnismäßig vorzugehen, wobei insbesondere die Verkehrslage, die Vermeidung von Staus und die Versorgung der Ein- und Durchreisenden zu berücksichtigen sind.“

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Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) leistete Anschober Schützenhilfe: Das durch die Corona-Kontrollen ausgelöste Stau-Chaos an Kärntens Grenze zu Slowenien sei aufgrund der Tatsache entstanden, dass die Gesundheitsbehörden mit zu wenig Personal ausgestattet waren. Sein Informationsstand sei, dass das Land Kärnten jetzt bereits weitere Kräfte des Bundesheeres angefordert habe, sagte er.

Verwaltungsrechtsexperte Peter Bußjäger
© Böhm

Fünf Fragen an: Verwaltungsrechtsexperte Peter Bußjäger

Kann man den Kärntner Behörden einen Vorwurf für das Stau-Chaos-Wochenende machen?

Peter Bußjäger: Das alles ist sicher kein Musterbeispiel von guter Kommunikation der Behörden untereinander, vom Ministerium und den Bezirksverwaltungsbehörden. Fehler sind auf beiden Seiten passiert.

In der Verordnung ist aber von verpflichtenden Kon­trollen die Rede.

Bußjäger: Natürlich ist die Verordnung auch so zu interpretieren bzw. sie lässt darauf schließen, dass jeder zu kontrollieren ist. Andererseits gibt es einen Bewertungsspielraum für die Behörde. Wenn es zu solchen Staus kommt, dann hat man die Möglichkeit, auf Stichproben-Kontrollen abzustellen. Die Verhältnismäßigkeit ist nämlich entscheidend.

Mit Verordnungen gab es in den vergangenen Wochen immer wieder Probleme.

Bußjäger: Ja, hier braucht es einfach eine bessere Abstimmung und Kommunikation. Aus meiner Sicht ist aber schon problematisch, dass das alles innerhalb weniger Stunden passiert. Ich frage mich schon, wie die Urlauber am Samstag oder am Sonntag überhaupt zu den notwendigen Formularen kommen konnten. Die zentralen Stellen werfen einfach etwas raus und die Behörden vor Ort müssen dann schauen, wie sie damit zurechtkommen.

Trotzdem orten Sie Fehler auf beiden Seiten.

Bußjäger: Offensichtlich erfolgte eine schlechte Koordination, das muss sich ändern. Gleichzeitig hätten die Behörden an den Grenzübergängen rasch auf die Situation reagieren und auf Stichproben umstellen müssen.

Die Situation mit den Reisewarnungen in Europa ist andererseits ohnehin ziemlich konfus durch die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen EU-Staaten.

Bußjäger: Hier wäre vor allem Leadership, also politische Führungsstärke von der Europäischen Kommission gefragt. Sie müsste alle Staaten an einen Tisch holen und eine abgestimmte Vorgangsweise nach bestimmten Kriterien festlegen – ohne in die Autonomie der Länder einzugreifen. Aber auch zwischen Österreich und Deutschland wäre das bilateral möglich.

Was denn jetzt?

In der Steiermark wurde eine eigene Interpretation gewählt, wenngleich der Leibnitzer Bezirkshauptmann Manfred Walch nicht mit Kritik sparte: „Zuerst hieß es, die Bestimmung sei verpflichtend für Durchreisende auch ohne Zwischenstopp, dann steht aber, die Behörde sei berechtigt. Was denn jetzt?“ Walch habe den Erlass gleich anders ausgelegt und „das ist aus meiner Sicht auch zulässig“. In Spielfeld mussten daher durchreisende Urlauber kein Formular ausfüllen. Nur, wenn sich die Zuständigen unsicher waren, musste eine Verpflichtungserklärung abgegeben werden.

Keine Probleme gibt es in Tirol – auch wegen vergleichsweise wenigen Reiserückkehrern, die aus Risikogebieten dann über den Brenner heimreisen. An den Grenzen wird stichprobenartig kontrolliert, bei Verdacht werden auch Fiebermessungen durchgeführt. Zugleich hat sich Tirol eng mit Südtirol abgestimmt.

In Tirol über 50 Soldaten für Gesundheitsbehörden eingesetzt

Seit Montag sind übrigens weitere 40 Soldaten des Jägerbataillons 23 aus Landeck an der italienisch-österreichischen Staatsgrenze und an der Grenze zu Deutschland in Musau im Auftrag der Gesundheitsbehörden tätig. Die Bezirkshauptmannschaften Landeck, Innsbruck-Land sowie Reutte forderten vergangene Woche die Assistenzkräfte an. Insgesamt sind damit in Tirol über 50 Soldaten für Gesundheitsbehörden eingesetzt. Weitere 80 stünden für die nächsten Wochen für Tirol bereit, betonte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (VP).

Insgesamt unterstützen aktuell 500 Soldaten die Gesundheitsbehörden im Assistenzeinsatz. Sie werden in den Bundesländern Burgenland, Steiermark, Salzburg, Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und Kärnten eingesetzt. (TT)

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