Theater

Mächtiger Leidensmensch von Vaters Ungnaden

Der Vater erntet die Früchte seines Erziehungsexperiments: Basilius (Norman Hacker) und sein zwischen Traum und Machtrausch gefangener Sohn (Franz Pätzold).
© Pohlmann

Intendant Martin Kušej wählte Pedro Calderón de la Barcas 1635 uraufgeführtes Werk „Das Leben ein Traum“ als Eröffnungspremiere des Burgtheaters Wien. Hervorragenden Schauspielern stand eine ungewohnte Inszenierung gegenüber.

Wien – Theater in Zeiten der Covid-19-Pandemie bietet schon einmal abseits des Bühnengeschehens Absonderliches. Beim Auftakt der Burgtheatersaison erst einmal leichte Empörung, wenn, durchaus sinnvoll, das Publikum gebeten wird, Reihe für Reihe zur Paus­e und nach dem Ende der Vorstellung den Saal zu verlassen. Sei’s drum, öster­reichische Küchenrevolution.

Den Hautgout des Absonderlichen hatte aber leider auch die Eröffnungspremiere, für die Intendant Martin Kušej Pedro Calderón de la Barcas 1635 uraufgeführtes Werk „Das Leben ein Traum“ auserkor. In seiner Inszenierung will Kušej dem märchenhaft-moralischen Stück über den polnischen König Basilius, der seinen Sohn Sigismund aufgrund missgünstiger Sternendeuterei von Geburt an in einem Turm isoliert hat, die Motive Selbstermächtigung und Umgang mit Macht sichtbar machen. Zur Verfügung stehen ihm mit Norman Hacker als Basilius und Franz Pätzold als Sigismund hervorragende Darsteller.

Die durchaus spürbare Genauigkeit der Regie fesselt, wenn die verworrenen Verstrickungen zwischen Sigismunds Aufpasser Clotald (Roland Koch), dessen Tochter Rosaura (Julia Riedler), dem moskowitischen Herzog Astolf (Johannes Zirner) und Basilius’ Nichte Estrella (Andrea Wenzl) ausgebreitet werden. Auch den Nebenfiguren wie Clarin (Tim Werths), einer Art Hofnarr, oder dem von Sigismund in seiner ersten, schlussendlich als „Traum“ gerechtfertigten Gewaltherrschaft gemeuchelten Diener (Gunther Eckes) wird Raum gegeben.

Schwierig ist die ästhetische Form des Abends, die sich nicht genug auf die Exzellenz der Schauspieler und Schauspielerinnen verlässt und jegliches Nachdenken über die Fragen, die das Stück Calderóns heut­e aufwirft, mit ärgerlichen Effekten überfrachtet. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage des Umgangs mit den zur Verfügung stehenden Mitteln: Unbenommen, dass Bert Wredes mächtige Bühnenmusik ausgesucht ist, dass Friedrich Roms Lichtchoreografie (mit leichten Assoziationen zu Albert Speers Nürnberger Lichtdom) imponiert wie irritiert. Die Gewichtung all dessen, eingebettet in beharrlich dreckiges Dunkel, stört gewaltig. In Zeiten allgemeiner Verwundbarkeit und uneinschätzbarer Unbekannten besäße vielleicht eine feinere Klinge die treffendere Schärfe! (lietz)

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