Neue Corona-Gesetze passieren Nationalrat
Trotz untergriffiger Debatten haben die neuen Coronagesetze am Mittwoch mit den Stimmen von Koalition und SPÖ den Nationalrat passiert. Das neue Regelwerk stellt etwa klar, wann ein Lockdown möglich ist, welche Arten von Ausgangsbeschränkungen gangbar sind und wie die Corona-Ampel funktioniert. Mit einer Änderung des Gesundheitstelematikgesetzes ebnete der Nationalrat den Weg für den Elektronischen Impfpass. Einstimmig wurde die Sonderbetreuungszeit bis Februar verlängert.
Ziel der polemischen Angriffe von FPÖ und NEOS war diesmal nicht nur die Koalition, sondern auch die SPÖ, weil sie mit ihrem angekündigten Ja auch im Bundesrat das rasche Inkrafttreten der neuen Bestimmungen zu Ausgangssperren und Corona-Ampel ermöglicht. Die attackierten Parteien sahen Wahlkampf-Getöse bzw. das Schüren von Ängsten.
Der freiheitliche Klubchef Herbert Kickl behauptet, dass die Koalition eine „zweite Welle“ her teste. Schweden sei ohne einschränkende Maßnahmen viel besser gefahren, in Österreich sei dagegen von der Regierung so etwas wie eine Spur der Verwüstung durch das Land gezogen worden. Dabei müsste die Devise „Gesundheit und Arbeit“ bzw. „Gesundheit und Freiheit“ heißen nicht jeweils oder. Eingebracht wurde ein Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung. Der SPÖ attestierte er, „der schwarz-grünen Dampfwalze“ auch noch den Weg frei zu machen.
Unterstützung hielt der FPÖ-Klubchef wenig darauf von der erstmals wieder für Publikum geöffneten Tribüne, wo Freiheitliche ein „Stopp den Corona-Wahnsinn“-Transparent aufhängten. Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer ließ sich davon nicht beirren und nahm Kickl persönlich ins Visier: „Sie verhalten sich absolut verantwortungslos“, attestierte sie dem freiheitlichen Fraktionsvorsitzenden und hielt ihm vor, zur Verunsicherung massiv beizutragen.
Beeindrucken werde sich die Koalition davon nicht lassen. Die Regierung habe es bis hierher geschafft und werde es auch weiter schaffen, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Dazu gehörten auch die bereits eingeleiteten Hilfsmaßnahmen, strich Maurer etwa die Arbeitsstiftung hervor.
NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker blieb in der Wortwahl zurückhaltender als Kickl, die Botschaft war aber nicht weniger deutlich. Er sprach von einem „Gesetz fürs zusperren, absperren und wegschreiben.“
SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner bedauerte, dass die Regierung den Sommer verschlafen habe. Mittlerweile gebe es viele Länder mit niedrigeren Infektionszahlen als Österreich. Es sei höchste Zeit zum Agieren zu kommen, forderte sie beispielsweise rasch einen Plan für den Wintertourismus. Dass nun ein verfassungskonformes Gesetz beschlossen werden könne, ist nach Meinung Rendi-Wagners der SPÖ zu verdanken.
Er würde sich erwarten, dass es nicht ein „Parteispektakel“ gebe, sondern die Gesundheit der Österreicher im Mittelpunkt stehe, meinte Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne). Die vehementen Angriffe des FPÖ-Klubchefs ließen auch ihn ungewöhnlich polemisch werden. So spottete er, dass „Primar Kickl“ vielleicht mehr wisse als die Gesundheitsexperten. Ein Herunterspielen der Pandemie ist für den Minister verantwortungslos: „Wer das verharmlost, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.“
Bei der Corona-Ampel sind nun als Kriterien bei der Bewertung der epidemiologischen Situation neu auftretende Fälle, die Clusteranalyse (also die Frage, in wie vielen Fällen die Infektionsquelle geklärt wurde), die Auslastung der Krankenhäuser, der Anteil der positiven an allen Tests sowie regionale Besonderheiten wie Tourismus- und Pendlerströme definiert.
Mehr Macht wird den Länderbehörden eingeräumt. Es wird nun auch gesetzlich determiniert, dass sie schärfere Regelungen als vom Bund vorgesehen einführen können. Was einen möglichen Lockdown angeht, bräuchte es dafür die Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats. Die Dauer kann zunächst maximal zehn Tage betragen, eine Verlängerung ist möglich.
Ferner wird geregelt, was für Ausgangssperren möglich sind. In Abstimmung mit dem Hauptausschuss des Nationalrats könnte der Gesundheitsminister verfügen, „dass das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zwecken zulässig ist“. Dazu sind Ausnahmen aufgezählt: Abwendung einer unmittelbaren Gefahr, Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen, Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, berufliche Zwecke und Aufenthalt im Freien zur „körperlichen und psychischen Erholung“. Auch Treffen etwa mit nicht mehr im gleichen Haushalt lebenden Geschwistern oder besten Freunden sollen möglich sein.
Definiert werden Betretungsverbote, die de facto überall außer in privaten Wohnräumen verhängt werden können. Sehr wohl sollen aber Einschränkungen in privaten Räumlichkeiten möglich sein, die nicht für Wohnzwecke angemietet wurden. Das rechtswidrige Betreten von Betriebsstätten, Arbeitsorten, Verkehrsmitteln oder eines sonstigen Ortes kann mit bis zu 1.450 Euro geahndet werden. Inhabern von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Betreibern von Verkehrsmitteln drohen Strafen bis zu 30.000 Euro.
Weiters vorgesehen ist, dass künftig auch praktische und Fachärzte Coronatests vornehmen werden können. Bezahlt wird das von den Kassen, die das Geld wiederum vom Bund aus dem Krisenbewältigungsfonds refundiert bekommen.
Abgelehnt von allen anderen Fraktionen wurde der Misstrauensantrag der FPÖ gegen die gesamte Regierung. Auch das freiheitliche Begehr, eine Volksabstimmung über das Gesetzeswerk abhalten zu lassen, fand keine Mehrheit.
Mit einer Änderung des Gesundheitstelematikgesetzes ebnete der Nationalrat zudem den Weg für den Elektronischen Impfpass. Kernpunkt ist ein von der ELGA GmbH zu errichtendes zentrales Impfregister, das der Dokumentation aller Impfungen dient und aus dem der individuelle E-Impfpass generiert wird. Nur die FPÖ stimmte dagegen.
Einstimmig wurde die Sonderbetreuungszeit bis Februar verlängert. Die Maßnahme, die Arbeitnehmern im Bedarfsfall das Fernbleiben von der Arbeit ermöglicht, um bei Corona-bedingter Schließung von Kindergärten oder Schulen die Betreuung selbst vorzunehmen, wäre im September ausgelaufen. Der Staat übernimmt künftig nicht nur ein Drittel, sondern die Hälfte der Lohnkosten.
Wahrgenommen werden kann die Sonderbetreuungszeit auch dann, wenn sie schon in der ersten Periode in Anspruch genommen wurde. Weiters wurde der Corona-Familienhärtefonds von 60 auf 100 Millionen aufdotiert und die Covid-19-Investitionsprämie von einer auf zwei Milliarden Euro aufgestockt.
Ein weiterer Beschluss betraf die Erhöhung der Zuverdienstgrenze zur Familienbeihilfe von 10.000 auf 15.000 Euro. Zur Förderung der berufliche Umorientierung wurde zudem einstimmig ein Bildungsbonus von vier Euro pro Tag zusätzliche zum Arbeitslosengeld etabliert, wenn eine arbeitslose Person im Auftrag des AMS an einer zumindest viermonatigen Qualifizierungsmaßnahme teilnimmt.