Kufstein könnte wieder gelb blinken, Imst sogar grün, Sperrstunde bleibt
Entscheidende Tage für die Ampel-Schaltung. Die Landesregierung ist besorgt über die Stimmung in der Bevölkerung, will aber an den verschärften Corona-Maßnahmen festhalten.
Von Peter Nindler
Innsbruck — Die deutsche Reisewarnung hat die Politik in Tirol kräftig durcheinandergewirbelt. Ausführlich hat sich die schwarz-grüne Landesregierung gestern damit befasst, aber auch mit der Stimmung in der Bevölkerung. Von der Schule bis zu Gastronomie und Hotellerie nimmt die Politik eine gewisse Ermüdung war. Corona überlagert alles, dazu kommen noch die verschärften Maßnahmen wie die generelle Vorverlegung der Sperrstunde auf 22 Uhr.
Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) will jedenfalls bis 16. Oktober daran festhalten, um die Neuinfektionen einzudämmen. Zuletzt waren es durchschnittlich 55 täglich. Er verteidigt die Sperrstundenregelung: "Sie ist notwendig, um die Infektionszahlen wieder nach unten zu drücken und schlussendlich unser Gesundheitssystem sowie den Arbeits- und Wirtschaftsstandort zu schützen." Die rasche Reduktion der Positivfälle sei auch im Hinblick auf die zunehmenden Reisewarnungen von großer Bedeutung, mahnt auch der grüne Koalitionspartner, die Abstands- und Hygienevorschriften einzuhalten.
Mit 1400 bis 1500 Tests pro Tag bleibt die Intensität bei den Abstrichen weiterhin sehr hoch. Für die Sitzung der Ampelkommission waren die vergangenen Tage wichtig. Sollte es nicht noch zu einem massiven Anstieg der Neuinfektionen kommen, könnten wieder Rückstufungen erfolgen. Wie es auch beim Einsatzstab des Landes heißt, sei man zuversichtlich, dass der Bezirk Kufstein ab Freitag wieder gelb blinken wird. Für Imst besteht sogar die Aussicht auf Grün. Vielleicht auch für Kitzbühel.
"Stimmung im Tourismus auf dem Nullpunkt"
Wegen der Reisewarnungen "ist die Stimmung vor allem im Tourismus auf dem Nullpunkt", sagt der Obmann der Sparte Tourismus in der Wirtschaftskammer, LA Mario Gerber. Niemand wisse derzeit, wie es weitergeht, hofft der ÖVP-Politiker endlich wieder einmal auf Planbarkeit. "Die ist derzeit nicht gegeben, ab 15. Oktober wird Deutschland die Maßnahmen bei der Einreise noch einmal verschärfen. Dann gibt es keine Freitestungen mehr, sondern automatisch fünf Tage Quarantäne."
Das sei dann kaum noch zu verkraften. Dass die Nachfrage eigentlich gut wäre, es wegen der Reisewarnungen von Deutschland, den Niederlanden oder Belgien aber keine Buchungen gibt, ist für Gerber besonders bitter.
So warnt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Landsleute eindringlich vor Reisen in Risikogebiete. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kündigte wegen der steigenden Neuinfektionszahlen in Österreich und zahlreichen Pendler ein baldiges Treffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz an. Priorität sei es, die Grenzen offen zu halten. Man brauche aber auch noch eine "Ergänzung für den Grenzverkehr".
Generelle Sperrstunde bleibt
Die Westachse bröckelt bei der Sperrstunde: Für Hotelgäste in Salzburg und Vorarlberg gilt die vorverlegte Sperrstunde um 22.00 Uhr nicht. Hausgäste eines Beherbergungsbetriebes dürfen bis 1.00 Uhr konsumieren. Tirol bleibt hingegen bei der generellen Regelung. „Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Gäste und Einheimische in Tirol gleich behandelt werden“, betont LH Günther Platter (ÖVP). Es sei nicht rechtfertigbar, dass Einheimische um 22 Uhr die Lokale verlassen müssten, aber Gäste noch weiter konsumieren könnten. „Die vorgezogene Sperrstunde gilt daher in Tirol für alle gleichermaßen.“
Für Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Walser (ÖVP) ist die vorgezogene Sperrstunde eine harte Maßnahme für die Wirtschaft. „Ziel und Zweck bleibt aber, dass wir die Infektionszahlen wieder senken, damit die Reisewarnungen aufgehoben werden.“ Denn mit ihnen stehe und falle der Wintertourismus in Tirol. Walser ruft auch alle Tiroler und Wirtschaftstreibenden dazu auf, zusammenzuhalten und diese Maßnahme mitzutragen.
Tirol, als Zentrum des österreichischen Tourismus, dürfe nicht nachstehen, kritisiert hingegen der Vorsitzende der Österreichischen Hoteliervereinigung in Tirol, Furtner. „Es gibt keinen Grund, die Sperrstunde für Hotelgäste vorzuverlegen.“
Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl (ÖVP) hat wiederum kein Verständnis für die Forderung der Hoteliervereinigung, Beherbergungsbetriebe von der vorverlegten Sperrstunde auszunehmen: „Das Virus kann jeden treffen. Deshalb geht es jetzt darum, die Infizierten-Zahlen zu senken, statt einen Keil zwischen Urlauber und Einheimische zu treiben.“
„Ist das der Dank, dass wir so diszipliniert sind?“
TT-Rundruf in den Bezirken: Reisewarnungen müssen vom Tisch, Ampelsystem wird kritisiert. Unmut im "grünen" Osttirol wächst.
➤ „Als Bürgermeister ist man bei Corona Passagier. Du hast keine Möglichkeiten, du kannst nur das Bewusstsein der Leute stärken.“ Der amtierende Landecker Stadtchef, Vizebürgermeister Thomas Hittler, spricht wahrscheinlich vielen seiner Amtskollegen aus der kommunalpolitischen Seele. Er setzt auf Vorbildwirkung. „Für keine Region der Welt ist eine Reisewarnung gut“, so Hittler, der sich um die wirtschaftliche Entwicklung Sorgen macht.
➤ „Es geht in die richtige Richtung“, sagt der Kufsteiner Bürgermeister Martin Krumschnabel. Immerhin hatte die Stadt Kufstein vor knapp zwei Wochen noch 39 Infizierte aufgewiesen, gestern waren es noch sechs. „In erster Linie ist das der Disziplin der Leute zu verdanken, aber auch der Mund-Nasen-Schutz scheint eine geeignete Maßnahme zu sein“, sagt Krumschnabel. Dies zeige sich auch durch sinkende Bezirkszahlen. Zugleich fordert er Gespräche auf Bundesebene, denn die Reisewarnungen seien für Tirol und die Tourismuswirtschaft ein großes Problem.
➤ Der Schwazer Bürgermeister Hans Lintner spricht von einer „absurden Situation“ hinsichtlich des Corona-Ampel-Systems. „Unser Bezirk ist orange, aber unsere Bildungseinheiten sind auf Gelb geschaltet. Kein Mensch kennt sich aus, was das bedeutet und was jetzt wo gilt“, kritisiert er. Es brauche ein einheitliches, klar strukturiertes Ampelsystem und eindeutig definierte Maßnahmen für jede Ampelphase. Im Schwazer Krankenhaus werde ein Covid-19-Patient stationär behandelt, und das nicht auf der Intensivstation. „Lintner appelliert an die Politik, den Menschen die Angst zu nehmen. Apropos Regeln: Der Schwazer Bürgermeister vermutet, dass durch die Vorverlegung der Sperrstunde auf 22 Uhr viele Jugendliche im privaten Kreis weiterfeiern.
➤ „Willkürlich und unverhältnismäßig“ – so bezeichnet die Lienzer Bürgermeisterin Elisabeth Blanik den Umgang mit dem fast virenfreien Osttirol: „Ich kenne keinen, der hier Verständnis dafür hat, dass Osttirol gleich behandelt wird, wie orange Bezirke.“ Die Unzufriedenheit der Bevölkerung werde größer. Schon bei den Ausgangssperren sei Osttirol zum Handkuss gekommen – jetzt mit der 22-Uhr-Sperrstunde erneut: „Ist das der Dank dafür, dass wir hier in Osttirol alle so diszipliniert gewesen sind“, fragt sich Blanik.
➤ Für den Imster Stadtchef, Stefan Weirather, ist klar, dass all die Maßnahmen wie Tragen des Mund-Nasen-Schutzes oder die Sperrstunde um 22 Uhr nicht leichtfertig getroffen worden seien. „Die Wirtschaft schmerzt das, doch was wäre die Alternative?