Politische Tiefschläge in den USA: Der Clown gegen den dummen Joe
Die erste TV-Debatte zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden lieferte zahlreiche Tiefschläge, aber kein Knock-out. Trump rief Rechtsextreme auf, sich bereitzuhalten.
Von Floo Weißmann
Washington –„Shitshow“, „Schande“, „Chaos“, „Peinlichkeit für die Vereinigten Staaten“: Selbst hartgesottene Politikbeobachter in den USA äußerten sich nach dem ersten TV-Duell im Präsidentschaftswahlkampf erschüttert. Der republikanische Amtsinhaber Donald Trump und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden lieferten einander in der Nacht auf Mittwoch in Cleveland (Ohio) einen Schlagabtausch, der politische Inhalte weitgehend in den Hintergrund rückte.
Trump, der in den Umfragen zurückliegt, setzte von Beginn an auf Angriff, u. a. auf Bidens Intelligenz. Unter Missachtung der vereinbarten Debattenregeln ließ er Biden kaum ausreden. Der bemühte sich zwar, seine Agenda zu verkaufen und direkt in die Kamera zu sprechen, gab aber immer wieder entnervt auf oder schnappte zurück (siehe Zitatekasten).
Ein Tiefpunkt der Debatte war erreicht, als Trump ohne Beleg behauptete, Bidens Sohn Hunter sei wegen Kokainkonsums unehrenhaft aus der Armee entlassen worden. „Das stimmt nicht“, antwortete Biden. „Mein Sohn, wie viele Leute, hatte ein Drogenproblem. Er hat das überwunden, und ich bin stolz auf ihn.“
Moderator Chris Wallace von Fox News sah sich immer wieder gezwungen, lautstark einzugreifen. „Gentlemen!“, herrschte er die Präsidentschaftskandidaten einmal an.
Trump gelang es allerdings nicht, Biden zu einem seiner berüchtigten Aussetzer zu provozieren. Der Herausforderer wirkte nicht immer souverän, hielt sich aber wacker. Er ließ sich von Trump auch nicht ins linke Eck drängen: „Ich bin derzeit die Demokratische Partei!“, sagte er.
Selbst der langjährige republikanische Kongresspolitiker und Ex-Präsidentschaftsbewerber Rick Santorum meinte hinterher, Trump habe es übertrieben. „Würde ich mich (im laufenden Wahlkampf) als Republikaner um ein Amt bewerben, wäre ich heute Abend wütend auf den Präsidenten“, erklärte er.
Viele TV-Zuseher kamen zu einem ähnlichen Schluss, wie u. a. eine Blitzumfrage von CNN ergab. Darin erklärte die Mehrheit der Befragten, Biden habe die Debatte gewonnen, sei vertrauenswürdiger und habe einen besseren Plan, Amerikas Probleme zu lösen. Allerdings hatte Hillary Clinton vor vier Jahren nach der ersten TV-Debatte gegen Trump ähnliche Werte wie Biden erhalten – und verlor wenig später die Wahl.
Trotz des Durcheinanders gelang es beiden Kandidaten, einige zentrale Botschaften zu wiederholen. Auswahl:
1️⃣ Corona-Krise: „Es ist Chinas Schuld; das hätte nie passieren dürfen“, bekräftigte Trump frühere Aussagen. Er stellte erneut eine baldige Impfung in Aussicht und warf Biden vor, das Land zusperren zu wollen. Biden hingegen erklärte, Trump habe die Amerikaner über die Corona-Gefahr belogen und keinen Plan für die Krise. Eine Impfung könne erst nächstes Jahr ausgeliefert werden. „Sie sollten aus dem Bunker Ihres Golfklubs rauskommen.“
2️⃣ Rassismus: Trump lehnte es ab, sich von weißen Suprematisten zu distanzieren. Stattdessen wandte er sich direkt an eine rechtsextreme Gruppe: „Proud Boys – haltet euch zurück und haltet euch bereit.“ Die Gruppe übernahm dies umgehend als Slogan auf ihrer Website. Biden hingegen erklärte, den Menschen müsse bewusst gemacht werden, wie andere Menschen fühlen. „Wir können das anpacken, wir können Rassismus besiegen.“
📽️ Video | US-Präsidentschaftswahlkampf: Chaos bei erstem TV-Duell
3️⃣ Unruhen: Trump rückte Biden in die Nähe einer radikalen Linken, die für Ausschreitungen am Rande der Proteste gegen Polizeigewalt verantwortlich sei. Die Leute wollten Law and Order, sagte er. Biden konterte. „Law and Order mit Gerechtigkeit, damit die Leute fair behandelt werden.“ Er sei auch dagegen, der Polizei Mittel zu entziehen. Schlechte Äpfel müssten jedoch aussortiert werden.
4️⃣ Wahlprozess: „Die Briefwahl ist ein Desaster“, behauptete Trump neuerlich ohne Beleg. „Es wird Betrug geben, wie man ihn nie gesehen hat.“ Der Präsident rief seine Anhänger auf, die Wahllokale zu beobachten, und erklärte düster: „Das wird nicht gut ausgehen.“ Biden konterte: „Er hat Angst davor, dass alle Stimmen zählen.“ Er rief die Zuseher auf, zur Wahl zu gehen und auf diese Weise sicherzustellen, dass das Volk entscheidet, wie die Wahl ausgeht – und nicht ein politischer und juristischer Konflikt über das Wahlergebnis. Anders als Trump versicherte Biden auch, er werde das Wahlergebnis akzeptieren – egal, wer gewonnen hat.