Pensionserhöhung im Ministerrat beschlossen
Die Regierung hat am Mittwoch im Ministerrat wie angekündigt die Pensionserhöhung für kommendes Jahr beschlossen. Kleine Pensionen bekommen prozentuell mehr. Für Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) handelt es sich um eine „Frage der Gerechtigkeit“, wie er betonte. Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) meinte, man setze einen Impuls für Menschen, „die jeden einzelnen Euro wirklich dringendst brauchen“. Wirtschaftsforscher geben sich allerdings skeptisch bezüglich der Pläne.
Kleine Pensionen bis 1.000 Euro werden um 3,5 Prozent angehoben, auch die Ausgleichszulage wird auf 1.000 Euro angehoben. Bis zu einer Pensionshöhe von 1.400 Euro wird die Anpassung auf den Inflationswert von 1,5 Prozent abgeschmolzen. Diese gesetzlich vorgesehene Erhöhung gibt es bis zu einer Pensionshöhe von 2.333 Euro, darüber einen Fixbetrag von 35 Euro.
Der Kritik, dass die Senioren eigentlich in der Coronakrise nichts verloren haben, konterte Anschober damit, dass man die Generationen in dieser Situation „nicht auseinanderdividieren“ sollte. Er sehe das genauso, pflichtete Blümel bei, etwas anderes wäre nicht gerecht gewesen, denn ein Drittel der Pensionisten profitiere auch nicht von der jüngsten Steuerreform. Letztlich solle die Erhöhung ja auch zur Kaufkraftsteigerung beitragen.
Dass der Vorsitzende der Alterssicherungskommission, Walter Pöltner, vor einer Aushöhlung des Versicherungsprinzips gewarnt hat, weil Personen, die mehr an Beiträgen eingezahlt haben, eine geringere Pensionserhöhung erhalten, sehen die Minister gelassen. Die einen sagten, es sei zu viel, die anderen, es sei zu wenig - das sei ein Indiz dafür, dass man richtig liege, befand Blümel. In den kommenden Monaten werde man mit der Kommission einen intensiven Dialog über die mittel- und langfristige Absicherung des gesamten Systems führen, erinnerte Anschober. Es sei auch Pöltners Verantwortung und Aufgabe, hier vorsichtig zu analysieren.
Martin Kocher vom Wirtschaftsforschungsinstitut IHS sieht die von der Regierung beschlossene Pensionserhöhung skeptisch. Die Anpassung liegt in Summe über der Inflationsrate und kostet daher mehr als gesetzlich eigentlich vorgeschrieben. „Es erhöht natürlich weiter den Druck auf die langfristige Finanzierbarkeit“, sagte Kocher am Mittwoch vor Journalisten. Bedenken kommen auch vom Vorsitzenden der Alterssicherungskommission der Regierung, Walter Pöltner.
„Es wird eine Pensionsreform geben müssen“, betonte Kocher. Er warnte vor der „Illusion“, das Pensionssystem durch eine immer stärkere Steigerung der Versichertenzahl finanzieren zu können. Dies sei in den letzten Jahren durch Zuwanderung und mehr Frauen am Arbeitsmarkt gelungen, aber: „Irgendwann werden wir sehen, dass die Demografie nicht mehr reichen wird. Dann ist es sehr spät für eine Reform.“
Skeptisch beurteilt die aktuelle Pensionserhöhung neuerlich auch Pöltner - und zwar, weil kleinere Pensionen um bis zu 3,5 Prozent steigen, während Bezieher höherer Renten nicht einmal die Inflationsrate abgegolten bekommen. „Bei den Politikern steht die Vorstellung im Raum, dass hinter jeder kleinen Pension ein armer Mensch steht“, so Pöltner. Tatsächlich hätten Kleinstpensionisten oft aber auch andere Einkünfte. Außerdem sieht er langfristig das Versicherungsprinzip gefährdet, wonach höhere Einzahlungen auch höhere Pensionen bewirken müssten. „Als einmalige Maßnahme ist das für jeden verkraftbar, aber nicht wenn das jedes Jahr passiert.“
Eigentlicher Zweck der Pressekonferenz war die Präsentation einer Studie über verhaltensökonomische Anreize im Pensionssystem. Das sogenannte „Nudging“ setzt auf psychologische Tricks statt Verbote und will so zu einem bestimmten Verhalten motivieren - in diesem Fall zu einem späteren Pensionsantritt. So schlägt das IHS vor, künftig nicht nur auszuweisen, wie viel die Frühpension kostet, sondern auch, wie viel das Weiterarbeiten bis 68 bringen würde. Außerdem könnte die neutrale „Korridorpension“ in „Abschlagspension“ umbenannt werden. Und auf dem Pensionskontoauszug könnten mittels Software „gealterte“ Fotos die Versicherten dazu motivieren, über zusätzliche Altersvorsorge nachzudenken.
Erstellt wurde die Studie vom IHS im Auftrag der „Aktion Generationengerechtigkeit“, einem vor einigen Jahren im Umfeld von Cartellverband und ÖVP gegründeten Verein, der u.a. ein höheres Pensionsalter fordert. Obmann Georg Feith übte ebenfalls Kritik an der aktuellen Pensionserhöhung. „Wenn man das zehn Jahre fortsetzen würde, würde man die gehobenen Pensionen um zehn Prozent kürzen.“ Er sieht darin den Abgang von einem Versicherungssystem hin zu einer Volkspension. „Das kann man machen, aber nicht ohne einer zweiten und dritten Säule“, plädierte er für mehr private Vorsorge.