Schwere Vorwürfe gegen Scheuer in Maut-Affäre
Die vorgesehenen Maut-Betreiber werfen dem deutschen Verkehrsminister vor, er habe sie zuerst angetrieben und dann auf ihren Kosten sitzen gelassen.
Berlin – Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sieht sich bei der Aufklärung des Debakels um die Pkw-Maut auf Autobahnen mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Der Chef des vorgesehenen Betreibers CTS Eventim, Klaus-Peter Schulenberg, sagte am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags, er habe dem Minister angeboten, mit der Unterzeichnung der Verträge bis zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu warten.
Grund dafür sei auch gewesen, dass die Finanzierung des Angebotspreises nicht durch Haushaltstitel gedeckt gewesen sei. Scheuer habe es aber entschieden abgelehnt zu warten. Er habe gesagt, ein Start der Pkw-Maut im Wahljahr 2021 sei inakzeptabel, die Maut müsse 2020 starten, so Schulenberg. Scheuer habe deutlich gemacht, es lägen verschiedene Gutachten im Ministerium vor, die „einhellig und glasklar“ die geplante Pkw-Maut als vereinbar mit dem EU-Recht einstuften.
Der EuGH kippte dann allerdings die deutschen Pläne für eine Pkw-Maut im Juni 2019. Daraufhin kündigte das Verkehrsministerium die Verträge und befindet sich seitdem in einem Rechtsstreit mit den beteiligten Firmen, die ihre Vorarbeiten abgegolten bekommen wollen.
Das Verkehrsministerium begründete die Kündigung neben dem EuGH-Urteil mit mangelnden Leistungen und Problemen in der Zusammenarbeit. Man sei aber zu jeder Zeit vollumfänglich im Plan gewesen, versicherte Schulenberg. Der Bund habe gekündigt, statt sich mit den Betreibern zusammenzusetzen, um eine Lösung zu finden. Dabei habe der EuGH die Maut nicht generell in Frage gestellt, sondern nur die gleichzeitige Entlastung deutscher Autofahrer. Dadurch hätte die Maut de facto nur für Ausländer gegolten, was dem EU-Recht widerspricht.
„Von einem fairen Umgang mit Geschäftspartnern ist dieses Vorgehen aus meiner Sicht weit entfernt“, bilanzierte Schulenberg. Die Gründe der Kündigung sind wichtig für das laufende Schiedsverfahren. Die Unternehmen fordern vom Bund Schadenersatz in Höhe von 560 Millionen Euro. Dieser lehnt ab.
CTS Eventim hatte zusammen mit dem österreichischen Mauttechnologieanbieter Kapsch TrafficCom Ende 2018 den Zuschlag für die Erhebung und die Kontrolle der deutschen Pkw-Maut erhalten. Die beiden Unternehmen hatten dafür die Gemeinschaftsfirma Autoticket gegründet. Deren Geschäftsführer, Volker Schneble, sagte am Donnerstag im Ausschuss dasselbe wie Schulenberg.
Bis zur Vertragskündigung kurz nach dem Stopp der Maut durch den EuGH hätten die Projektampeln demnach „durchweg auf Grün“ gestanden. Die Kündigung sei spontan und politisch motiviert gewesen. Schneble sprach von einer „Kurzschlussreaktion“ und einem „klaren Foulspiel“, für das der Minister verantwortlich sei. Eine Umsetzung der Maut wäre aus Betreibersicht auch nach dem EuGH-Urteil rechtskonform möglich gewesen.
Scheuer sollte noch am Dienstagabend ebenfalls im Untersuchungsausschuss gehört werden. Seine Aussage lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Bei einem Auftritt im Bundestag vor einem Jahr hatte er dementiert, dass die Betreiber angeboten hätten, auf das EuGH-Urteil zu warten. (TT, dpa)