Heart of Noise Festival: Flatterhaft mit mächtig Wumms
Am Donnerstag startete das 10. Heart of Noise Festival. Wie geplant. Seither sind Plan B und C gefragt. Der heutige Auftritt von Soap&Skin musste kurzfristig abgesagt werden.
Innsbruck – Volatil ist – nach wie vor – das Adjektiv der Stunde. Die Situation bleibt unbeständig, flüchtig, flatterhaft. Gerade Veranstalter lernen dieser Tage einmal mehr: Ein Plan B ist unerlässlich, ein Plan C dringend empfohlen. Der vergleichsweise kurzfristig ins Programm genommene Auftritt von Soap&Skin beim Innsbrucker Heart of Noise Festival am heutigen Samstag musste am Freitag noch kurzfristiger abgesagt werden. Die Wiener Kristall-Klang-Königin kuriert eine Verkühlung aus. Sie war erst wenige Tage vor Festivalstart als Ersatz für den britischen Tontüftler Roly Porter angekündigt worden. Am gestrigen Freitag fiel der Auftritt von Loraine James aus. Das hiesige Traurige Tropen Orchester gab den Einspringer.
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Der donnerstägliche Eröffnungsabend des Heart of Noise – das Festival feiert heuer seinen zehnten Geburtstag – ging hingegen so über die Bühne wie im Programmheft angepriesen: Die Linzer Formation Fuckhead machte sich mit mächtig Wumms über Rockstar-Posen her – und lehnte das, was sich zwischen hartem Schlagwerk, rabiaten Riffs und anderweitigem Getöse an Text ausmachen ließ, an die gegenwärtige Situation an: „Nach dem Fabulieren Hände waschen!“ Eine „umfassende Desinfektionsmaßnahme“ hatten Fuckhead angekündigt – und kräftig durchgeblasen haben sie den großen Saal im Haus der Musik tatsächlich. Massiv verstärkte Verhaltensregeln inklusive: „Setz die Maske auf. Halte Abstand. Hüte dich vor den wilden Hunden.“ Fuckhead sind laut und lustig. Auch weil in den zornigen Songruinen über abwesende Götter, Filterblasen und „ein kleines bisschen Totschlag für die rechte Sache“ immer auch eine Ahnung Schlagerschunkeln anklingt: seltsame Musik für seltsame Zeiten.
Und ziemlich genau das Gegenteil zu BJ Nilsens O-Ton-Studie „The Accursed Mountain“, die im Anschluss zur Welt-Uraufführung kam. Nilsen erforscht den Klang der Welt, sucht und untersucht Rhythmus und Beats von Wäldern und Wiesen – oder im Fall von „Accursed Mountain“ mythengetränktes Terrain an der albanisch-kosovarischen Grenze: Hochkonzentiert und bisweilen herausfordernd leise wagt er sich an Gratzwische Ambient-Meditation und Kuhglockenkitsch.
Die finalen Acts des ersten Festivaltages – Peter Rehbergs Zusammenarbeit mit der Designerin Tina Frank und Vladislav Delay – erforschten das Spiel von Klang und optischen Effekten: knallbunt und hypnotisch im Fall von Rehberg/Frank und bei Vladislav Delay mit bis ins feinste Nackenhaar erfahrbarer Lust an Desorientierung in Sepia und schönstem Schwarz-Weiß. (jole)