Baubranche mit leichten Blessuren, Ruf nach digitalen Verfahren
Selbst Corona hat die Digitalisierung bei Bauverfahren nicht vorantreiben können, kritisiert Anton Rieder. Es herrsche immer noch Zettelwirtschaft.
Von Max Strozzi
Innsbruck – Während im Tourismus eine Hiobsbotschaft die nächste jagt, ist die Baubranche heuer mit einem blauen Auge davongekommen. Nur kurz dauerte der behördliche Lockdown im Frühjahr, relativ rasch durften die Baumaschinen auffahren, die Bauarbeiter unter Auflagen wieder arbeiten und die Baufirmen ihre gut gefüllten Auftragsbücher abarbeiten. „Auch das befürchtete Herbstloch ist nicht eingetreten, wir sollten in vollem Umfang bis Jahreswechsel arbeiten können“, schildert der Tiroler Bauinnungsmeister und Wirtschaftskammer-Vizepräsident Anton Rieder. Einen leichten Rückgang der Bauleistung von 3 bis 5 Prozent werde die Branche wohl schlucken müssen, bei den Erträgen auch etwas mehr. „Ein kleiner Rückgang drückt schnell auf die Erträge, weil rasch Nervosität entsteht und die Preise sinken. Im Vergleich zu anderen Branchen ist das aber alles verkraftbar. Die Blessuren sind überschaubar“, sagt Rieder.
Auch für 2021 zeigt er sich „verhalten optimistisch, dass alles halbwegs weitergehen wird“. Zwar könnte die Investitionslust im Tourismus gebremst sein, der Wohnbau aber sei von der Krise relativ wenig betroffen. „Es besteht eher noch verstärkt der Wunsch nach einem Eigenheim“, glaubt Rieder. Zudem dürfte die öffentliche Hand einige geplante Infrastrukturprojekte vorziehen. „Man muss aber die Gemeinden stärken, damit sie ihre Pläne auch durchziehen können, etwa bei Kindergärten.“
An den Behördenverfahren habe die Krise allerdings wenig geändert, kritisiert er. „Wir hatten die Erwartung, dass das Virus auch die Bürokratie anknabbert, das kann ich aber nicht bestätigen“, will sich Rieder einen Seitenhieb nicht verkneifen. Den Auftrags-Rückstau könnte man jetzt abbauen, doch es laufe „leider alles wieder im normalen Modus“. Es sei nach wie vor nicht einfach, Projekte rasch durchzubekommen: „In Großbritannien machen sie im Baubereich Schnellverfahren, so etwas ist bei uns nicht denkbar. Bei uns läuft leider alles so weiter wie vor Beginn der Krise.“ Zwar werde der Bau von Wohnungen gefordert, gleichzeitig rege sich in vielen Gemeinden aber Widerstand gegen gewisse Bauhöhen. „Diese Diskussionen und Konflikte nehmen schon wieder zu.“
Zudem dauerten viele Verfahren aus Rieders Sicht noch viel zu lange. Und trotz immer wieder verlautbarter Digitalisierungsoffensiven sei die Zettelwirtschaft ständiger Begleiter von Bauverfahren. „Man muss die Verfahren digitalisieren, doch da stehen wir leider noch ganz am Anfang. Wir sind noch viel zu analog unterwegs“, kritisiert Rieder. In der Praxis müsse man immer wieder neue Zettel nachreichen, was den ganzen Prozess unnötig verzögere. „Was man alles vorzeigen muss, ist oft nicht klar. Das muss aber von vornherein klar sein und wir müssen mit diesen Überlegungen starten. Wir brauchen endlich verlässlich valide, transparente, digitale Bauverfahren. Sonst kann das zur Wirtschaftsbremse werden“, warnt der Bauunternehmer: „Es geht nicht darum, auf Vorschriften zu verzichten, sondern das Ganze schnell und transparent zu machen.“