Winterspiele im Treibhaus: Ein Realist versucht sich am Unmöglichen
Im Treibhaus finden ab 21. Oktober die 3. Innsbrucker Winterspiele statt. Das Jazzfrühstück erlebt ein Comeback in Corona-Zeiten.
Innsbruck – Seinen Steinway-Flügel hat Norbert Pleifer nicht verkauft. „Er steht immer noch im Turm – und setzt Staub an“, sagt der Treibhaus-Chef. Im Sommer war das Klavier Pleifers Rückversicherung. Wäre seinen im Verbund mit dem Innsbrucker Leokino veranstalteten Freiluftfilmfestspielen im Zeughaus das Geld ausgegangen, hätte er es versetzt. Auch ein gebrauchter Qualitätsflügel bringt mehrere zehntausend Euro.
Nötig war der Weg zum Pfandleiher nicht. Das Experiment ging auf. Mehr als 8000 Besucher wurden im August im Zeughauskino gezählt. Bei freiem Entritt. Finanziert wurde das von Konzerten gerahmte Festprogramm durch einen Solidaritätsauftritt von Alfred Dorfer und Josef Hader, eine Handvoll Sponsoren – und zahllose freiwillige Spenden.
Pleifers Augen leuchten, wenn er vom Sommer erzählt. Davon, wie ihn Corona zwang, das Open-Air-Kino neu zu denken – und wie sich dadurch die Chance bot, die Filmreihe vom Zwang, auch kommerziell einigermaßen erfolgreich sein, zu befreien. Koste es, was es wolle. Notfalls eben ein Klavier.
Doch irgendwann war der Sommer vorbei – und der Herbst kündigte einen Winter mit verschärften Vorgaben und wenig Spielraum für Kulturveranstalter an. „Damit war zu rechnen, trotzdem hat der Blick aufs leere Septemberprogramm weh getan“, sagt Pleifer. Dass er seine beiden zentralen Spielstätten – Turm und Keller – erst wieder aufsperren wird, wenn Konzert- und Kabarettbesuche ohne Auflagen möglich sind, hatte Pleifer schon im Frühjahr angekündigt. Er halte es da mit Helge Schneider: „Entweder ganz oder gar nicht. Halbgare Kompromisskonzerte veranstalte ich nicht. Aus Prinzip.“
Aussitzen kann und will Norbert Pleifer die Zeit bis zur Rückkehr vorpandemischer Zustände aber nicht. „Ich habe schließlich eine Verantwortung den Künstlern und Technikern gegenüber, die in nächster Zeit kaum arbeiten können“, sagt er.
Deshalb setzt Pleifer in den kommenden Monaten erneut seinen Steinway aufs Spiel. „Warum sollte das, was im Sommer ging, nicht auch im Winter gehen?“, fragte er sich – und fand Rat bei einem nicht gerade winterlichen Vorzeigerevoluzzer: „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche“, sagt er in Anlehnung an Che Guevara. Eines stehe derzeit außer Frage, erklärt Pleifer: „Wenn man etwas machen will, muss man es draußen machen.“ Und: „Wo, wenn nicht im frischluftverliebten Tirol mit seiner europaweit unerreichten Dichte an wärmenden Goretex-Jacken und Thermo-Unterhosen, sollte das Unmögliche möglich sein?“ Zumal man gerade in Innsbruck einige Erfahrung in der Ausrichtung winterlicher Großveranstaltungen hat. Womit auch der Name für den Veranstaltungsreigen gefunden war: „Im Treibhausgarten bekommt Innsbruck seine dritten Winterspiele. Mit allem, was dazugehört: vom olympischen Feuer bis zur Medaillenvergabe“, sagt Pleifer. Erste Generalproben gab es bereits: Anfang Oktober las Josef Hader. Zuletzt präsentierte auch Singer-Songwriter Felix Kramer sein neues Album im Treibhausgarten.
Offiziell eröffnet werden die Winterspiele am 21. Oktober mit einem Konzert von Luca Bassanese und dessen Piccola Orchestra Popolare. Es folgen Auftritte von unter anderem Manu Delago, Voodoo Jürgens, Oehl und Garish. Auch Ernst Molden, Herbert Pixner samt Italo Connection und der finnische Ausnahme-Pianist Iiro Rantala haben sich für die dritten Innsbrucker Winterspiele angekündigt. Letzterer habe zugesagt, selbst wenn ihm nach seiner Rückkehr nach Finnland eine mögliche Quarantäne droht, sagt Norbert Pleifer, die wolle er dann zum Komponieren nutzen.
Auch die investigativ-kabarettistischen Hochkaräter Florian Scheuba und Florian Klenk nehmen an den Winterspielen teil. Test-Fackelträger Josef Hader wird gleich mehrfach wiederkommen. Und Alfred Dorfer soll auch vorbeischauen.
Ein Comeback in – O-Ton Pleifer – „coronarrischen“ Zeiten erlebt ab dem 25. Oktober auch das sonntägliche Treibhaus-Jazzfrühstück (ab 10.30 Uhr). Ebenfalls sonntags wird fortan am späteren Nachmittag „Fünfuhrtee“ ausgeschenkt. Musikalisch begleitet wird die Reminiszenz an die Anfänge des Après-Ski, bei dem einst auch Joe Zawinul Tiroler Gaststuben einheizte, von Flo’s Jazz Casino um Kontrabassisten Flo Hupfauf. Zwischen Frühstück und Tee steht Kindertheater auf dem Programm. (jole)