Coronavirus

25.000 Tiroler Schüler betroffen: Heimunterricht lässt Eltern rotsehen

Das so genannte „Distance Learning“ ist laut Tirols Bildungsdirektor Paul Gappmaier eine „organisatorische Herausforderung“, der die Schulen im Land allerdings gewachsen seien. (Symbolfoto)
© AFP

Knapp 25.000 Tiroler Schüler sollen ab Montag von zu Hause aus lernen. Dagegen regt sich Widerstand. Die Meinung der Schüler zur Rückkehr zum Heimunterricht ist in Tirol recht unterschiedlich.

Von Benedikt Mair und Manfred Mitterwachauer

Innsbruck – Es werde eine „organisatorische Herausforderung“, gibt Tirols Bildungsdirektor Paul Gappmaier unumwunden zu. Aber eine, der die Lehranstalten im Land „gewachsen sind. Es wird kein chaotischer, sondern sehr geordneter Prozess.“ Ab Montag heißt es für knapp 25.000 Schülerinnen und Schüler: zurück in den Heimunterricht. Durch das Umstellen der Schul-Ampelfarbe auf Orange in sechs Bezirken werden alle ab der neunten Schulstufe zum Lernen zu Hause beordert. Laut Gappmaier ist die Stimmung bei Jugendlichen, Eltern und Lehrern „angespannt. Vor allem weil die Umstellung auf Heimunterricht schon sehr früh im Schuljahr erfolgt.“

Einen offenen Aufstand der Eltern gegen die neuen Maßnahmen gibt es bereits an der HTL Anichstraße in Innsbruck – immerhin eine der größten Schulen in Westösterreich. In einem offenen Brief an Landeshauptmann Günther Platter, Bildungslandesrätin Beate Palfrader, den Tiroler Landtag sowie die Bildungsdirektion fordert der Elterverein nicht nur eine Offenlegung der medizinischen Fakten und Daten, die Platter nun zu diesem Schritt bewogen haben, sondern weiters eine „sofortige Rückkehr zum Ampelstatus ‚Gelb‘“ an den Schulen.

Immerhin stünden, schreibt der Elternverein, allein an der HTL nunmehr rund 1500 Schüler vor dem „Distance Learning“. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem Lehrer wie Schüler noch mit dem Aufholen von Lernrückständen aus dem ersten Lockdown-Halbjahr beschäftigt seien. „Generell haben wir den Eindruck, dass speziell Schüler ab der neunten Schulstufe als ‚Opfer‘ für die Corona-Maßnahmen der Politik missbraucht werden“, sagt Elternvereinsobmann Stefan Boscheri. Die anstehenden zehntägigen Herbstferien würden sich laut den Eltern besser als „Puffer zur Entspannung“ der Lage anbieten. Zudem will der Elternverein den auf 8.30 Uhr zurückverlegten Schulbeginn mangels Erfolg – die Schülerbusse seien nach wie vor voll – wieder auf 8 Uhr setzen.

Auch wir im Bildungsbereich müssen uns jetzt etwas zurücknehmen.
Paul Gappmaier 
(Tirols Bildungsdirektor)

Der Tiroler Landeselternverband schließt sich dem Grund für das Schreiben an, wie Präsident Christoph Drexler gestern bestätigt: „Es ist für uns nicht in Ordnung, dass diese schwierige Situation jetzt auf dem Rücken der Jugendlichen ausgetragen wird.“ Schüler gelten nicht als „Superspreader“, erinnert Drexler an die Zusage von Bildungsminister Heinz Faßmann, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten. An Platter appelliert Drexler, in Schulen nur jene Maßnahmen zu setzen, die auch der Schulampelfarbe „Orange“ entsprechen würden. Und diese sehen auch die Möglichkeit von Klassenteilungen oder Teilunterricht vor Ort vor.

Es gibt eine große Enttäuschung und auch Befürchtung, dass das ausgeweitet wird.
Christoph Drexler 
(Präsident Landeselternverband)

„Es gilt der klare Wunsch des Landes, bei allen Oberstufenschülern auf den Heimunterricht umzustellen“, kontert Bildungsdirektor Gappmaier. „Und diesen kann ich verstehen. Zumindest aus epidemiologischer Sicht.“ Der Schulbetrieb solle damit entzerrt, „etwa die Problematik mit überlasteten Schulwegen gelöst werden“, sagt er. Da die neue Maßnahme teils sehr große Schulen betreffe und damit eine beträchtliche Zahl an Jugendlichen zu Hause bleibe, sei das „günstig. Auch wir im Bildungsbereich müssen uns jetzt etwas zurücknehmen“, betont Gappmaier. Dann könne die Zahl der Neuinfektionen stagnieren „oder vielleicht sogar sinken“.

Direktor Johann Fellner lobt die Eltern seiner Schüler.
© Michael Mader

Schüler sind hin- und hergerissen

Wörgl, Kitzbühel, Jenbach – Des einen Freud, des anderen Leid: Unter den Schülern in den beiden orangefarbenen Bezirken Kufstein und Schwaz sowie dem gelbfarbenen Bezirk Kitzbühel ist die Meinung zur Rückkehr zum Heimunterricht recht unterschiedlich.

Während sich Schüler der HTL in Jenbach freuen, ab Montag wieder zu Hause bleiben zu können, herrscht etwa bei Schülern im Bezirk Kitzbühel Verärgerung, dass sie schon in die Schule gehen müssen – auch wenn sie in einem orangen Bezirk wohnen. Lieber Schule hätte so manche Maturaklasse, die befürchtet, zu viel Stoff zu versäumen. Und es gibt zumindest auch Eltern aus den Randorten des Bezirks Kitzbühel, die nicht nachvollziehen können, warum ihre Kinder nicht nach Wörgl ins Gymnasium gehen können, wo der Bezirk Kitzbühel doch gelb ist.

Beschwerden bei Direktor Johann Fellner gibt es aber keine: „Natürlich haben wir auch Schüler aus Hopfgarten oder Itter, aber die Eltern sind sehr kooperativ“, lobt er den guten Zusammenhalt. (mm)

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