„The Trial of the Chicago 7“: Historischer Reim auf das Heute
Aaron Sorkin macht mit „The Trial of the Chicago 7“ ein Justizdrama aus den 1960er-Jahren zum Spiegel der US-amerikanischen Gegenwart.
Von Marian Wilhelm
Innsbruck – Sacha Baron Cohen hat dieser Tage gleich zwei schillernde Schauspielauftritte. Bevor er ab Freitag mit seinem „Borat“-Sequel im Finale des US-Präsidentschafts-Wahlkampfs provoziert, glänzt er in der Rolle des Politaktivisten Abbie Hoffman. Der stand Ende der 1960er-Jahre als einer der Angeklagten in „The Trial of the Chicago 7“ vor Gericht. Drehbuch-Meister und Regisseur Aaron Sorkin verfilmt diese ebenso unrühmliche wie brandaktuelle historische Episode als klassisches Gerichtsdrama, passend zur ähnlich aufgeheizten Stimmung in den USA des Jahres 2020.
Damals, im Vorwahlkampf der Demokraten 1968, versucht eine bunt zusammengewürfelte Truppe linker Aktivisten und Bürgerrechtler gegen den Vietnam-Krieg mobilzumachen. Die Polizei reagiert mit exzessiver Gewalt gegen den Protest auf der Straße. Die Präsidentschaftswahl gewinnt dann mit einem Law-and-Order-Wahlkampf ein gewisser Richard Nixon, der den Nimbus des problematischsten US-Präsidenten seit damals abgegeben hat. Sein neuer Justizminister will ein Exempel an den allesamt männlichen Anführern der Proteste statuieren, mit dem Black-Panther-Gründer Bobby Seale (Yahya Abdul-Mateen II) als eigentlich unbeteiligtem achten Angeklagten. Ein junger Staatsanwalt (Joseph Gordon-Levitt) soll die Anklage wegen Verschwörung und Unruhestiftung durchboxen.
📽️ Video | Trailer zu „The Trial of the Chicago 7"
Sorkin richtet seinen Fokus auf dieses Gerichtsverfahren, mit geschickt montierten, sparsamen Rückblenden. Grundrechtsverletzungen der Mächtigen zur Unterdrückung unliebsamer Stimmen auf der Straße kommen dabei ebenso zum Vorschein wie Bruchlinien unter den Protestierenden. Sorkin geht es um die sehr unterschiedlichen Menschen. Dem ‚Hippie-Clown‘ Abbie Hoffman mit seinen Provokationen des Richters steht der ernste Aktivist Tom Hayden (Eddie Redmayne) gegenüber, später selbst Politiker und Ehemann von Jane Fonda. Daneben der Pazifist und Familienvater David Dellinger (John Carroll Lynch). Doch im Verlauf der Geschichte zeigt sich: So unterschiedlich sind die angeklagten Kriegsgegner gar nicht. Das geniale All-Star-Ensemble macht aus dem souveränen Justizfilm eine durchaus bemerkenswerte Charakterstudie der aufrechten Aktivisten, inklusive des berühmten Menschenrechts-Anwalts William Kunstler (Mark Rylance). All ihre Biografien lesen sich im Rückblick als Teile eines progressiven Fortschritts-Puzzles des 20. Jahrhunderts. Dicht und spannend erzählt wird 1968/69 so zum Spiegel der Gegenwart. Die Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber in diesem Film reimt sie sich perfekt auf das Heute.