Wissenschaft: Neuer Praxisleitfaden für Integrität und Ethik

Die aus Vertretern der einzelnen Hochschulsektoren, Wissenschaftsministerium und HochschülerInnenschaft zusammengesetzte Hochschulkonferenz hat „Leitlinien für Standards guter wissenschaftlicher Praxis und von wissenschaftsethischen Prinzipien“ beschlossen. Der von Wissenschaftern und Experten erarbeitete Text verstehe sich „ausdrücklich nicht als rechtlich verbindliches Regelwerk, sondern als Orientierungshilfe“, heißt es in dem 43-seitigen Papier.

Die Leitlinien sollen dazu beitragen, „Forschungsintegrität und Forschungsethik in Österreich zu stärken und die Freiheit der Forschenden abzusichern“, heißt es in dem „Praxisleitfaden für Integrität und Ethik in der Wissenschaft“. Für die meisten Wissenschafter seien die im Leitfaden angeführten Standards „gelebte Praxis. Unser Ziel war, ein Dokument zu schaffen, das Orientierung und Halt geben soll - gerade in diesen bewegten Zeiten“, erklärte Klement Tockner, Präsident des Wissenschaftsfonds FWF und Leiter der Arbeitsgruppe, die das Papier ausgearbeitet hat.

Der Leitfaden beinhaltet allgemeine Grundprinzipien der Forschungsintegrität und -ethik, widmet sich den dafür zuständigen Kommissionen, beschreibt Handlungsfelder guter wissenschaftlicher Praxis und der Forschungsethik und führt Best-Practice-Beispiele dazu an. Zudem gibt es eine Auflistung möglicher Verdachtsfälle und Verstöße gegen gute wissenschaftliche Praxis, welche Sanktionsmöglichkeiten bei wissenschaftlichem Fehlverhalten möglich sind und wie dies kommuniziert werden könnte.

Verantwortliches Handeln in der Forschung sollte sich den Leitlinien zufolge an den fünf Grundprinzipien Unabhängigkeit, Ehrlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Transparenz und Fairness orientieren. Als Grundprinzipien der Forschungsethik werden in dem Papier „Autonomie bzw. Selbstbestimmung“, das „Nichtschadensprinzip“ sowie „Gerechtigkeit“ genannt.

Als „entscheidende Voraussetzung“ dafür, dass Integrität und Ethik in der Forschung gelebt werden könne, nennt das Papier die entsprechende Kompetenz der Forscher. Es sei notwendig, dass „Forscher die Standards guter wissenschaftlicher Praxis diskutieren, sich gegenseitig zur Einhaltung dieser Standards verpflichten und darauf vorbereitet sind, berechtigten Verdacht bei Nichteinhaltung der Standards einer entsprechenden Kommission oder verantwortlichen Person zu berichten“. Die Leitlinien empfehlen in diesem Zusammenhang, dass auch anonyme Hinweise erlaubt sein sollten, wenn sie entsprechend begründet sind.

Dem Papier zufolge liegt wissenschaftliches Fehlverhalten vor, „wenn Forschende vorsätzlich, wissentlich oder grob fahrlässig gegen die Richtlinien guter wissenschaftlicher Praxis verstoßen“. Als häufige Beispiele dafür werden die Erfindung bzw. Fälschung von Daten, Plagiieren, die unberechtigte Verweigerung des Zugangs zu Primär- und Originaldaten sowie die Behinderung der Forschungstätigkeit anderer Wissenschafter genannt.

Von Forschungsinstitutionen eingerichtete Kommissionen könnten in Fällen von wissenschaftlichem Fehlverhalten den Leitlinien zufolge keine Sanktionen aussprechen, sondern nur die Schwere des Vergehens beurteilen. Für Sanktionen verantwortlich sei die Leitung der jeweiligen Forschungsstätte, sie sollten „in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehen“. Empfohlen wird, in den entsprechenden Richtlinien zu beschreiben, ob und wie Untersuchungen von Fehlverhalten kommuniziert werden, etwa ob es anonymisierte Zusammenfassungen im Jahresbericht oder auf der Website gibt. Sollte ein Fall bereits öffentlich geworden sein, wird eine offene und transparente Kommunikation empfohlen.

Als „Handlungsfelder guter wissenschaftlicher Praxis und der Forschungsethik“ werden in dem Papier u.a. die richtige Aufbereitung von Forschungsdaten, die Ermöglichung von Open Access und Open Science sowie die Erarbeitung von Richtlinien für Beratungstätigkeiten von Wissenschaftern genannt. Zudem sollte die Einbindung der Öffentlichkeit vertieft werden. Als wichtiges Argument dafür wird in den Leitlinien der zunehmende Einfluss von Desinformation durch die sozialen Medien genannt, weshalb es „auch in der Verantwortung von Forschenden liegt, diesen Falschinformationen mit ihrer wissenschaftlichen Kompetenz gegenzusteuern“.

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