Innsbruck

„Der Bau“: Mitreißender Auftritt eines Edeljokers in den Kammerspielen

Von Ängsten geplagtes Wesen aus Mensch und Tier. Max Simonischek in den Innsbrucker Kammerspielen.
© Andrea Leichtfried

Max Simonischek gastiert mit seiner Bühnenversion von Kafkas Erzählung „Der Bau“ in den Innsbrucker Kammerspielen.

Von Markus Schramek

Innsbruck – In hochtrabendem Manager-Sprech nennt man das wohl eine Win-win-Situation: Alle sind zufrieden – Veranstalter, Darsteller, Publikum. Sprachlich geerdet, wie wir es nun einmal sind, bemühen wir aber lieber das Bild eines glücklichen Zufalls. Schauspieler Max Simonischek ist in nächster Zeit öfter verfügbar, und so fungiert der 38-jährige Spross von Burgtheater-Ensemblemitglied Peter Simonischek als Edel­joker am Landestheater.

Er springt ein, weil Corona die hiesigen Planungen über den Haufen geworfen und Lücken ins Programm gerissen hat. Diese füllt Simonischek junior in loser Folge mit dem von ihm selbst inszenierten Stück „Der Bau“ nach einer Erzählung Franz Kafkas.

Ein großes Wagnis gehen die Innsbrucker Theatermacher mit dieser Hereinnahme freilich nicht ein. Simonischek tingelt mit seiner Produktion schon seit der Uraufführung 2015 in Zürich viel beachtet durch die Lande, mit Stopps u. a. am Burgtheater und bei den Telfer Volksschauspielen (beides 2016). Dienstagabend erfolgte nun die Premiere in den Kammerspielen.

Im Bau, spärlichst beleuchtet durch ein kleines Loch in Richtung Außenwelt, begegnen wir, weit unter Tage, einem von Simonischek dargestellten Mensch-Tier-Wesen.

Es trägt Klauen an Händen und Füßen, damit gräbt es sich zweifellos besser im Erdreich, es kauert in gebückter Haltung, das Maul blutverschmiert. Man muss fressen, was zwischen die Kiefer kommt, Ungeziefer, die gelegentliche Ratte, richtige Leckerbissen eben.

Relaxed lebt es sich in der (selbst gewählten?) Isolation unter der Grasnarbe aber nicht. Ständige Angst vor Eindringlingen quält den einzigen Bau-Insassen. Rastlos überlegt er, wie er sein Reich zur Festung ausbauen könnte. Vorräte werden strategisch verteilt, ein Labyrinth aus Gängen soll ungebetene Gäste in die Irre führen. Es ist ein manisches, panisches und paranoides Treiben in Form einer Endlosschleife. Kaum ist eine Strategie erdacht, wachsen schon die Zweifel.

Fremd ist uns Erdlingen auf den Rängen solch bizarr anmutendes Hirn-Zermartern aber nicht. Man erinnert sich an manch durchwachte Nacht. Statt des ersehnten Schlafes stellte sich rastloses Hin- und Herwälzen ein, rotierend im Liegen, befeuert durch düstere Gedanken.

Max Simonischek leistet in dem Einpersonen-Einakter Großartiges. Aus seinem zum Bauwerkzeug umfunktionierten Kauwerkzeug (er ist ja auch Tier) purzeln kafkaeske Textkaskaden, in rasendem Tempo und dennoch gestochen verständlich. Auf einem Erdhaufen hält er Wache, lauscht, lächelt, grimassiert, gerät in Panik, hält sich auf Trab, kommt nicht zur Ruhe.

Als Zuseher vermeint man die Zerrissenheit dieses geplagten Wesens auch selbst empfinden zu können. Man ist gefordert, angespannt und atmet kurz durch in den wenigen Pausen, die sich der Baubewohner gönnt. Ein mitreißendes, intensives Erlebnis, ein Edeljoker fürwahr.

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