Markus Hinterhäuser und die „Grammatik der Verzweiflung“
Markus Hinterhäuser und die sechs Klaviersonaten von Galina Ustvolskaya in der Galerie St. Barbara in Innsbruck.
Innsbruck – Es ist kein Auftritt, es ist ein Geschenk, wenn Markus Hinterhäuser bei der Galerie St. Barbara die sechs Klaviersonaten von Galina Ustvolskaya spielt. Die Musik der unvergleichlichen, weil radikal subjektiven Russin hat sich an ihn gebunden, seit er sie in einem Salzburger Plattenladen erstmals hörte. Als junger Pianist hat er die Sonaten zum Osterfestival Tirol gebracht und dort vor sechs Jahren mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja einen grandiosen Ustvolskaya-Abend gestaltet. Dass sich Hinterhäuser, der die gegenwärtige Krisenzeit auch als Intendant der Salzburger Festspiele durchstehen muss, nun im Rahmen der Oster/Oktober-Festspiele wieder auf die in jeder Beziehung kräfteraubenden Sonaten einließ, wurde im Salzlager schon mit einem besonders herzlichen Empfang gewürdigt.
Ustvolskaya (1919–2006) verbat sich Analysen ihrer Werke. Eingangs erklären aber durfte der Pianist die sechs Sonaten und erhellte damit den Zugang, Er verwies auf die tiefe Religiosität und Einsamkeit der Komponistin, auf „ihren eigenen Weg, der oft ins Nichts führt“, auf die fast dreißig Jahre zwischen der extrem leisen vierten und extrem lauten fünften Sonate – „das Härteste, was je geschrieben worden ist“ –, in deren Heftigkeit Ustvolskaya sogar den Anschlag der Fingerknöchel hören wollte. Er nennt es die „Grammatik der Verzweiflung“.
Hinterhäuser ging durch diese Welt mit der ihm eigenen Sensibilität und Gedankentiefe. Im Übergang vom Zarten, Visionären zum „espressivissimo“ behielt er die Intensität, wo endlos Viertelnoten herrschten, bekamen sie wie die Repetitionen in einem sich steigernden Insistieren zunehmend Sinn. Sein ungemein variabler Anschlag fand verborgene Glocken- und Choralakkorde, wie überhaupt Hinterhäusers Nachvollzug auch des stählernen Glaubens und des Leidens der Welt nie an Transparenz verlor. Ob Einzeltöne sich in der Stille verloren oder ein Unterarm zum Einsatz kam, weil alle Töne der Welt vonnöten waren – es geht auch bei Hinterhäuser um alles. Die magische Kraft der Komponistin wird die seine. (u.st.)