EU-Agrarreform: Rückenwind für Tirols Bauern, Kritik von Umweltschützern
Die Einigung der EU-Staaten auf eine neue Agrarreform stößt auf heftige Kritik bei Umweltschutzorganisationen. Tiroler Bauernvertreter sehen ihren Weg bestätigt.
Von Michaela S. Paulmichl
Innsbruck — Von einem schwarzen Tag für Europa spricht Helmut Burtscher von Global 2000: „Die Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um die wichtigen Klima- und Biodiversitätsziele zu erreichen. Und was jetzt beschlossen wurde, wirkt für Jahrzehnte." Das Ergebnis im EU-Agrarrat spiegle nicht wider, was die eigene Umweltagentur kurz zuvor in einem Bericht festgestellt und empfohlen habe, nämlich dass die Artenvielfalt gravierend zurückgehe und noch viel mehr getan werden müsse, um die Situation umzukehren. Burtscher: „Die Landwirtschaft ist das beste Werkzeug, um den Schwund von Biodiversität zu bekämpfen, aber auch die größte Ursache."
In einem Vergleich der Tier- und Pflanzenarten sowie ihrer Lebensräume liegt Österreich nur auf dem vorletzten Platz von 28 untersuchten Ländern. 83 Prozent der bewerteten Arten weisen einen „mangelhaften" bis „schlechten Zustand" auf. 79 Prozent der bewerteten Lebensräume befinden sich in keinem „guten Zustand".
Von einem verlorenen Jahrzehnt spricht Gertraud Grabmann von Bio Austria, dem Netzwerk der österreichischen Biobauern. In Tirol werden aktuell 22 Prozent der Agrarfläche biologisch bewirtschaftet. Die Leistungen vieler Bauern seien aber nicht annähernd in den Produktpreisen realisierbar. „Der Markt versagt, wenn es um Ökologisierung geht. Die Politik steht in der Verantwortung."
„Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist neben der Wertschätzung der Konsumenten für heimische Lebensmittel ein wesentlicher Faktor für die Tiroler Landwirtschaft", sagt Agrarreferent LHStv. Josef Geisler. „Die Einigung der EU-Agrarminister ist ein wichtiger Schritt für die Planungssicherheit unserer Bauern für die nächsten sieben Jahre." Für Geisler war und ist die bäuerliche Tiroler Landwirtschaft Vorreiter in Sachen Umweltstandards und Tierwohl und hat in den letzten Jahren viel in die Stärkung regionaler Versorgungskreisläufe, Ausbau der Biolandwirtschaft und Klimawandelanpassung investiert. „90 Prozent der Flächen werden naturnah bewirtschaftet." Die Ausrichtung der zukünftigen europäischen Agrarpolitik bestätige diesen Weg.
Er geht davon aus, dass die neuen Konzepte der EU, wie Green Deal, Farm to Fork, zu Neuerungen in den Förderprogrammen führen werden: „Die in Tirol gängige Weidewirtschaft wird hier in Zusammenhang mit Emissionszielen einen wichtigen Stellenwert haben.
Innerösterreichisch wird nun intensiv an der Ausgestaltung der zukünftigen Förderungsrichtlinien gearbeitet. Geisler: „Hier werde ich mich als Vertreter der bäuerlichen Landwirtschaft gemeinsam mit den Kollegen der westlichen Bundesländer dafür einsetzen, dass die Unterstützungen für die Almwirtschaft und die Erschwernisabgeltungen für die Berglandwirtschaft weiterhin einen hohen Stellenwert haben."
Die heimischen Landwirte und das Säulensystem
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) beruht auf zwei Säulen:
Der Bereich der 1. Säule umfasst Direktzahlungen, im Wesentlichen abgekoppelt von der Produktion werden einheitliche Flächenprämien pro Hektar bezahlt. Sie werden zu 100 Prozent von der EU bezahlt. Über diese Direktzahlungen wurden 2019 in Tirol rund 40 Millionen Euro an Prämien ausbezahlt.
Im Rahmen der Direktzahlungen — einheitliche Betriebsprämie je Hektar — hat es laut Land Tirol in der abgelaufenen Periode 2014—2020 eine für die Tiroler Bauern erfreuliche Entwicklung gegeben, nämlich die Vereinheitlichung der Prämien je Hektar bewirtschaftete Fläche. Diese Änderung sei insofern günstig für die Tiroler Betriebe gewesen, als die historischen Prämienansprüche für die extensiv wirtschaftenden Tiroler Bauern wenig Prämienvolumen brachten und nunmehr jedes Hektar in Österreich den gleich hohen Prämienanspruch aufweist. Daraus resultiert ein Plus von fast 11 Mio. Euro an Betriebsprämie.
Die 2. Säule beinhaltet Strukturfördermaßnahmen für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum, sie wird von EU, Bund und Ländern gemeinsam finanziert. Für Vorhaben in der ländlichen Entwicklung entfielen in Tirol im vergangenen Jahr in Summe 118 Millionen Euro. In der 2. Säule finden sich die für die Tiroler Landwirtschaft wesentlichen Leistungsabgeltungen: die Ausgleichszulage für die Abgeltung der natürlichen Bewirtschaftungsverhältnisse und das österreichische Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL). Beide Maßnahmen zusammen stellen eine Art Grundabsicherung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung dar.