Bekanntgabe neuer Verschärfungen wegen Corona am Samstag
Die Bundesregierung wird am Samstag bekanntgeben, welche weiteren Verschärfungen zur Eindämmung der Coronapandemie umgesetzt werden. Diesen Termin nannte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag nach einer Expertenrunde im Bundeskanzleramt. Sollten die derzeit hohen Neuinfektionszahlen weiter steigen, drohe bereits „Mitte, Ende November“ die Überlastung der Intensivstationen, warnte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).
Laut den „OÖN“ soll auch eine nächtliche Ausgangssperre in Erwägung gezogen werden. Die Beschränkung könnte demnach von 21 Uhr bis 5 Uhr früh gelten, möglich sei auch eine Variante von 23 bis 6 Uhr.
Genannt wurde von Regierungsseite am Donnerstag lediglich der Fahrplan, Fragen zu inhaltlichen Details zu den Maßnahmen wurden nicht beantwortet. „Wir sind nicht in einer Phase, wo es um Stunden geht“, sagte Kurz. Die Entwicklung sei seit Langem absehbar. Am Freitag wird es ihm zufolge Gespräche mit den Sozialpartnern geben, am Samstag mit den Landeshauptleuten und der Opposition sowie dem Bundespräsidenten. Im Anschluss an diese Gespräche werde die Öffentlichkeit über die notwendigen Maßnahmen informiert, kündigte Kurz an. Unklar blieb am Donnerstag auch, ab wann die neuen Maßnahmen gelten sollen. Wichtig sei, „kühlen Kopf zu bewahren und entschlossen zu handeln“.
Für das Allerheiligen-Wochenende verwies Kurz auf die Empfehlungen, soziale Kontakte zu reduzieren und auf Familienzusammenkünfte zu verzichten. Fix sei, dass es zu keiner Überlastung des Gesundheitssystems kommen dürfe: „Wir werden nicht zulassen, dass Ärzte entscheiden müssen, wer leben darf und wer sterben muss.“ Kurz appellierte erneut an die Bevölkerung, die Maßnahmen mitzutragen: „Die Schritte, die wir als Bundesregierung setzen können, ist ein Teil, das andere ist das Mitmachen der Bevölkerung.“ Die Herausforderung sei, „dass es bei vielen Menschen eine gewisse Müdigkeit gibt, ein Nicht-mehr-Wollen“, sagte Kurz. Er mache diesbezüglich niemandem einen Vorwurf, „weil ich das persönlich sehr gut nachvollziehen kann“, es handle sich um Einschränkungen, die niemand möchte.
Man habe am Donnerstag mit den Experten die Frage erörtert, ab welchem Wert der Neuinfizierten das heimische Gesundheitssystem überlastet wäre - und ob dieser wie von ihm bereits vor zwei Wochen geschätzt bei 6.000 positiven Fällen pro Tag liegt. „Das wurde uns so bestätigt“, sagte Kurz nach einer Expertenrunde zum Thema „Bettenkapazität“ im Kanzleramt. Derzeit habe man rund 4.500 Neuinfizierte. Viel relevanter sei aber, dass sich diese Zahlen derzeit im Schnitt innerhalb einer Woche verdoppeln, betonte Kurz.
Anschober rechnet mit bis zu 5.800 Neuinfektionen pro Tag in der kommenden Woche. Setzte sich dieser Trend so fort, könne „eine Überschreitung der Kapazitätsgrenzen Mitte, Ende November eintreten“, so Anschober. Deshalb gebe es nun „akuten Handlungsbedarf, um diese Entwicklung zu stoppen“. Problematisch sei, dass derzeit der Altersschnitt steigt und vermehrt Infektionen in Alters- und Pflegeheimen auftreten.
Herwig Ostermann, Geschäftsführer von Gesundheit Österreicher erläuterte, dass von 100 Neuerkrankten derzeit im Schnitt eine Person auf eine Intensivstation kommt und dort im Schnitt 12,5 Tage versorgt werden muss. Die Patienten werden „rasant mehr“. Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), betonte, dass eine Erweiterung der Intensivkapazitäten kurzfristig nicht möglich sei. Werde die Intensivmedizin bei Neuinfektionszahlen über 6.000 an ihre Grenze gebracht, „dann wären wir nicht mehr in der Lage, bestmögliche Medizin bereitzustellen“, warnte Markstaller.
Wie die Maßnahmen inhaltlich aussehen könnten, dazu gab es seitens der Regierung vorerst keine Informationen, auch nicht hinsichtlich des Startzeitpunkts. Für das Allerheiligen-Wochenende verwies Kurz auf die Empfehlungen, soziale Kontakte zu reduzieren und auf Familienzusammenkünfte zu verzichten. Er appellierte erneut an die Bevölkerung, die Maßnahmen mitzutragen. Anschober stellte eine Reaktivierung der telefonischen Krankschreibung Aussicht.
Die geplanten Maßnahmen, die in den Medien auch als „Lockdown light“ bezeichnet werden, könnten mit Szenarien anderer Staaten vergleichbar sein - etwa mit jenen, die ab Montag in Deutschland gelten. Dort müssen Gastronomie sowie Freizeit-, Kultur- und Sporteinrichtungen für vier Wochen schließen, in der Öffentlichkeit dürfen sich nur noch Angehörige zweier Haushalte treffen (maximal zehn Personen). Schulen, Kitas und der gesamte Einzelhandel bleiben in Deutschland aber offen.
Die Opposition hat auf die Kommunikationspolitik der Bundesregierung zu den bevorstehenden Verschärfungen der Corona-Maßnahmen mit scharfer Kritik reagiert. Für die SPÖ ist es „völlig unverständlich“, warum die Regierung mit der Bekanntgabe bis zum Wochenende abwartet, die FPÖ sprach von einem „Tiefpunkt des Regierungsmarketings“. Die NEOS orteten ein „Versagen“ von Türkis-Grün.