Terrorverdacht nach brutaler Attacke in Kirche in Nizza
Bei einer brutalen Messerattacke in einer Kirche in der südfranzösischen Metropole Nizza sind mindestens drei Menschen getötet worden. Mehrere weitere wurden bei dem Angriff am Donnerstag verletzt, der mutmaßliche Täter wurde festgenommen. Frankreich rief die höchste Terrorwarnstufe aus, Präsident Emmanuel Macron sprach von einem „islamistischen Terroranschlag“. Frankreich sei angegriffen worden. Es ist die dritte Attacke in Frankreich innerhalb weniger Wochen.
Der Angriff ereignete sich laut Medien gegen 9.00 Uhr früh in der Kirche Notre-Dame mitten in der Einkaufsstraße von Nizza. Zwei Menschen seien innerhalb der Kirche „auf schreckliche Weise“ getötet worden, sagte Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi. Die Art und Weise erinnere an den Tod des vor zwei Wochen ermordeten Lehrers Samuel Paty, erklärte Estrosi weiter, ohne Details zu nennen.
Paty war in der Nähe seiner Schule in einem Pariser Vorort enthauptet worden. Mindestens einem der Opfer in Nizza sei die Kehle durchgeschnitten worden, sagte Éric de Moulins-Beaufort, Vorsitzender der Französischen Bischofskonferenz, der französischen Nachrichtenagentur AFP. Unter den Todesopfern ist demnach auch der 45-jährige Mesner der Basilika. Eine Frau habe sich noch in ein nahe gelegenes Café flüchten können und sei dort schließlich gestorben, sagte Bürgermeister Estrosi. Premierminister Jean Castex bestätigte, dass drei Menschen bei der Tat getötet wurden.
Estrosi zufolge rief der Attentäter „Allahu akbar“ („Gott ist groß“). Bei dem mutmaßlichem Täter handelt es sich offenbar um einen 1999 in Tunesien geborenen Mann. Er soll am 20. September mit anderen Migranten über Lampedusa nach Europa gekommen sein, berichteten italienische Medien unter Berufung auf Ermittlerkreise. Demnach wurde er am 9. Oktober in einem Flüchtlingslager in Bari registriert. Außerdem hätte der mutmaßliche Täter aus Italien abgeschoben werden sollen, hieß es weiter. Wann und wie er nach Nizza gelangte, sei noch unklar. Die Ermittler hatten sich bis zum frühen Abend noch nicht zum Täter und zum Tathergang geäußert.
Die tunesische Regierung hat den mutmaßlich islamistisch motivierten Messerangriff in Nizza verurteilt. Tunesien stehe solidarisch an der Seite der französischen Regierung und Bevölkerung, erklärte das Außenministerium des nordafrikanischen Landes am Donnerstag. Die Staatsanwaltschaft in Tunis teilte mit, sie habe angesichts von Berichten, wonach es sich bei dem Attentäter um einen Tunesier gehandelt habe, eine Untersuchung eingeleitet. Tunesien lehne „alle Formen von Terrorismus und Extremismus“ ab, erklärte das Ministerium. Religion dürfe nicht für „ideologische oder politische“ Zwecke missbraucht werden.
Castex sprach von einer „niederträchtigen“ und „barbarischen“ Attacke und kündigte eine entschlossene Antwort der Regierung an. Es sei die Stufe „Urgence Attentat“ des Anti-Terror-Alarmplans „Vigipirate“ ausgerufen worden, sagte er in der Pariser Nationalversammlung. Diese Warnstufe ermöglicht die außergewöhnliche Mobilisierung von Ressourcen im Kampf gegen den Terror.
Macron kündigte einen verstärkten Schutz von Kirchen und Schulen an. Der schon länger laufende inländische Anti-Terroreinsatz „Sentinelle“ des Militärs solle von bisher 3.000 auf nun 7.000 Soldaten aufgestockt werden. „Heute steht die ganze Nation hinter unseren katholischen Mitbürgern“, sagte Macron in der Nähe des Tatorts. Man dürfe nicht dem Geist der Spaltung nachgeben.
Der 42-Jährige war am Nachmittag in die südfranzösische Metropole gereist und tauschte sich dort unter anderem mit Sicherkräften aus. In zahlreichen Kirchen im Land läuteten nach der brutalen Attacke am Nachmittag um Punkt 15.00 Uhr die Glocken. Die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft übernahm in dem Fall die Ermittlungen. Sie ermittelt unter anderem wegen Mordes in Verbindung mit einem terroristischen Vorhaben.
Erst vor zwei Wochen hatte die brutale Ermordung des Lehrers Paty im ganzen Land riesiges Entsetzen ausgelöst. Das Motiv des 18-jährigen Angreifers war den Ermittlern zufolge, dass Paty in einer Unterrichtsstunde zum Thema Meinungsfreiheit Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte.
Ende September hatte ein junger Mann vor den ehemaligen Redaktionsräumen des Satireblatts „Charlie Hebdo“ zwei Menschen mit einem Messer verletzt. Das Magazin hatte zu Beginn des Prozesses rund um die brutale Terrorserie 2015, bei der auch zahlreiche Zeichner des Blattes ermordet wurden, erneut Mohammed-Karikaturen veröffentlicht. Auch hier gab der Angreifer die Karikaturen als Motiv an.
Macron hatte nach der Attacke gegen Paty die Meinungsfreiheit und die Veröffentlichung auch religionskritischer Karikaturen verteidigt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach daraufhin von einer „Lynchkampagne“ gegen Muslime in Europa und rief zum Boykott französischer Waren auf.
In Frankreich kam es am Donnerstag noch zu weiteren Vorfällen, ein Zusammenhang zur Attacke in Nizza konnte aber zunächst nicht bestätigt werden. Die Polizei tötete im südfranzösischen Avignon einen mutmaßlichen Angreifer, der Passanten mit einer Waffe bedroht haben soll. Es gab Polizeikreisen zufolge vorerst keine Hinweise auf einen Terrorhintergrund. AFP berichtete, dass der Mann psychische Probleme gehabt haben solle. In Lyon wurde ein mit einem Messer bewaffneter Mann festgenommen. Niemand wurde verletzt, der Mann sei Sicherheitskreisen bekannt gewesen.
Am französischen Konsulat in Jeddah in Saudi-Arabien wurde außerdem ein Sicherheitsbeamter angegriffen und leicht verletzt. Der Täter wurde festgenommen. Die genauen Hintergründe der Tat blieben zunächst unklar. Die französische Botschaft in Riad sprach in einer Mitteilung von einer „Messerattacke“. Franzosen in Saudi-Arabien wurden zugleich zu „höchster Wachsamkeit“ aufgerufen.
Weltweit war die Anteilnahme nach der mörderischen Attacke groß. Saudi-Arabien verurteilte den Angriff der staatlichen Nachrichtenagentur SPA zufolge mit klaren Worten. „Solche extremistischen Taten stehen im Widerspruch zu allen Religionen und allem menschlichen Glauben“, teilte das Außenministerium demnach mit. Auch der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif schrieb auf Twitter: Der „Terroranschlag“ in Nizza reflektiere den eskalierenden Teufelskreis von Hassreden, Provokationen und Gewalt. Der mutmaßlich islamistische Angriff in der Kirche Notre-Dame widerspreche allen „religiösen, menschlichen oder moralischen Werten“, teilte unterdessen das Außenministerium in Ankara mit.
Die Spitzen der EU-Institutionen sicherten Frankreich ihre Solidarität zu. Ganz Europa sei solidarisch mit dem Land, schrieb etwa EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf Twitter. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin brachte sein „tiefes Mitgefühl“ zum Ausdruck. Papst Franziskus bekundete seine Nähe und sein Mitgefühl mit den Trauernden. UNO-Generalsekretär António Guterres nannte die Attacke „abscheulich“. US-Präsident Trump schrieb auf Twitter, die USA stünden Frankreich „in diesem Kampf“ zur Seite. Bundespräsident Alexander Van der Bellen verurteilte die Tat als „entsetzlich und verabscheuungswürdig“. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verurteilte die Attacken „auf das Allerschärfste“.
Die EU-Staats- und Regierungschef zeigten sich ebenfalls „schockiert“ über den Anschlag in Nizza gezeigt und verurteilten die Gewalttat „auf das Schärfste“. Der Anschlag sei auch „ein Angriff auf unsere gemeinsamen Werte“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die am Donnerstagabend durch EU-Ratspräsident Charles Michel veröffentlicht wurde.
Nizza wurde bereits 2016 von einem Terroranschlag erschüttert, dabei starben 86 Menschen. Frankreich wird seit Jahren von einer islamistischen Terrorwelle heimgesucht.