Frankreich fürchtet neue Anschläge nach Enthauptung in Nizza
Einen Tag nach der Enthauptung einer Frau und der Tötung zweier weiterer Menschen in einer Kirche in Nizza fürchtet Frankreichs Regierung neue Anschläge dieser Art. Frankreich befinde sich in einem „Krieg gegen die islamistische Ideologie“, so Innenminister Gerald Darmanin am Freitag. Deshalb werde es weitere Vorfälle wie „diese schrecklichen Angriffe“ geben. In überwiegend muslimischen Ländern kam es indes erneut zu Protesten gegen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Frankreichs oberster Anti-Terror-Ermittler Francois Ricard erklärte, der mutmaßliche Täter vom Donnerstag, ein 1999 geborener Tunesier, sei am 20. September auf der italienischen Insel Lampedusa nach Europa gelangt. Der Tatverdächtige sei Donnerstagfrüh mit dem Zug in Nizza angekommen und habe sich dann zu der Kirche begeben. Dort habe er eine 60-jährige Frau enthauptet und den 55-jährigen Mesner erstochen. Er habe auch auf eine 44-jährige Frau eingestochen, die zunächst noch in ein nahe gelegenes Café flüchten und Alarm schlagen konnte, bevor sie starb.
Als die Polizei am Tatort eintraf, habe der Angreifer noch immer „Allahu Akbar“ gerufen, erklärte Chef-Ermittler Ricard weiter. Der Mann war von der Polizei angeschossen und ins Krankenhaus gebracht worden. Er befinde sich in einem kritischen Zustand.
Tunesien erklärte zunächst, der Mann sei dort nicht als mutmaßlicher Extremist bekannt gewesen. Ein Vertreter der Justiz räumte dann aber ein, der Tatverdächtige sei 2016 wegen Gewalt und dem Gebrauch eines Messers festgenommen worden. Zudem leiteten die Behörden in Tunis Ermittlungen gegen eine „Mahdi Organisation“ ein, die sich in den sozialen Medien zu der Tat bekannte, wie die amtliche Nachrichtenagentur TAP berichtete.
Auch die italienische Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen gegen den 21-Jährigen wegen des Verdachts auf Terrorismus ein. Zudem laufen Untersuchungen wegen eines Abschiebungsbescheids, der dem Tunesier zugestellt wurde, wie italienische Medien unter Berufung auf die Justizbehörde berichteten.
Der Tatverdächtige kommt dem arabischen Nachrichtensender Al-Arabiya zufolge aus einem Ort nahe der tunesischen Küstenstadt Sfax. Die Mutter sagte dem Sender, ihr Sohn habe sie in dieser Woche angerufen und erzählt, dass er nach Frankreich gereist sei. Von seinen Plänen habe sie nichts gewusst. Der Bruder des mutmaßlichen Angreifers erklärte dem Sender, dieser habe gesagt, er wolle vor der Kirche die Nacht verbringen. Er habe ihm von dort auch ein Foto geschickt.
Unterdessen ist nach dem Anschlag von Nizza mit drei Toten ist ein weiterer Verdächtiger festgenommen worden. Der 35-Jährige sei wegen mutmaßlicher Verbindungen zu dem tatverdächtigen Angreifer in Polizeigewahrsam genommen worden, hieß es am Freitagabend aus Justizkreisen. Zuvor hatte der Sender France Info über die Festnahme berichtet. Dem 35-Jährigen wird demnach vorgeworfen, am Tag vor dem Anschlag mit dem Täter in Kontakt gewesen zu sein. Freitagfrüh hatten die Ermittler die Festnahme eines 47-Jährigen bekanntgegeben, der ebenfalls verdächtigt wurde, kurz vor der Tat mit dem Angreifer in Kontakt gestanden zu haben.
Frankreich hat die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen und Tausende Soldaten zum Schutz von Kirchen, anderen Glaubenshäusern und Schulen abkommandiert. Es werden nach Angaben des Innenministeriums 3.500 Reservepolizisten mobilisiert. Allein 120 zusätzliche Polizisten sollen in Nizza patrouillieren. Präsident Macron hatte zuvor bereits angekündigt, dass die Anti-Terror-Einheit der Armee von 3.000 auf 7.000 Kräfte aufgestockt wird. Frankreich ist das Land mit der größten muslimischen Gemeinde in Europa.
Der Angriff in der südfranzösischen Hafenstadt ereignete sich am Geburtstag des Propheten Mohammed und knapp zwei Wochen nach der Enthauptung eines Lehrers. Der 47-jährige Samuel Paty war in einem Pariser Vorort von einem mutmaßlichen Islamisten tschetschenischer Herkunft auf offener Straße getötet worden. Im Unterricht zum Thema Meinungsfreiheit hatte der Lehrer umstrittene Mohammed-Karikaturen gezeigt.
In mehreren überwiegend muslimischen Ländern kam es unterdessen erneut zu Demonstrationen gegen Frankreich. In Bangladeschs Hauptstadt Dhaka gingen am Freitag Zehntausende auf die Straße. Sie forderten einen Boykott französischer Produkte und trugen Banner, auf denen Präsident Macron als „der größte Terrorist der Welt“ bezeichnet wurde.
Auch in Pakistan kam es zu Protesten. In der Hauptstadt Islamabad ging die Polizei mit Tränengas gegen Tausende Demonstranten vor, die zur französischen Botschaft marschierten. Zu Protesten kam es auch in Jerusalem, in Ramallah und Gaza sowie in Somalia, Äthiopien und Afghanistan. Australien und Indien kritisierten die Proteste und stellten sich an die Seite Frankreichs.