Literatur

Österreichischer Buchpreis für Xaver Bayer: „Die Phantasie als rettender Ort“

Xaver Bayer ist nach Friederike Mayröcker (2016), Eva Menasse (2017), Daniel Wisser (2018) und Norbert Gstrein (2019) der fünfte Gewinner des Österreichischen Buchpreises.
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Die Alltagsabsurditäten sind absolut – und bisweilen tödlich: Xaver Bayer gewann für seine „Geschichten mit Marianne“ den Österreichischen Buchpreis 2020.

Innsbruck, Wien – Wie steigert man eine Serie von Erzählungen, deren Titelfigur bereits in der ersten das Zeitliche segnet? Man beginnt die zweite einfach, als sei nichts passiert – und führt Marianne und den namenlosen Ich-Erzähler einfach in eine andere Ausweglosigkeit. So jedenfalls macht das Xaver Bayer in seinen „Geschichten mit Marianne“, in denen nichts erklärt und die ganz beiläufig erzählten Alltagsabsurditäten absolut – und bisweilen eben tödlich – sind. Es wird geschossen, romantische Spielereien verpuffen im Verschwinden der Geliebten, die mal jung, mal pflegebedürftig gebrechlich ist – und irgendwann werden gegen die allumfassende Kälte signierte Erstausgaben verfeuert.

Gestern wurde Bayer für seine im Salzburger Verlag Jung und Jung veröffentlichte Sammlung aktuell-abseitiger Kurzgeschichten mit dem Österreichischen Buchpreis 2020 ausgezeichnet. Die abendliche Preisverleihung fiel Corona-bedingt genauso aus wie die österreichische Literaturmesse Buch Wien, deren inzwischen traditioneller Startschuss die heuer zum fünften Mal vergebene Auszeichnung ist. Der Österreichische Buchpreis ist mit 20.000 Euro dotiert.

Neben Bayer waren Helena Adler („Die Infantin trägt den Scheitel links“, Jung und Jung), Karin Peschka („Putzt euch, tanzt, lacht“, Otto Müller Verlag), Cornelia Travnicek („Feenstaub“, Picus) und Monika Helfer („Die Bagage“, Hanser) für die Auszeichnung nominiert.

Die Jury – bestehend aus dem Wiener Literaturkritiker Sebastian Fasthuber, FAZ -Kulturkorrespondentin Nicole Henneberg, dem Salzburger Buchhändler Klaus Seufer-Wasserthal und Ulrike Tanzer, Leiterin des Brenner-Archivs der Universität Innsbruck – ortete in Bayers Erzählungen „ein brillantes, facettenreiches Nachdenken über unsere Zeit“. Jede Geschichte setze neu an „und lässt eine Gewissheit des Alltags ins Bodenlose kippen“. Dabei arbeite Bayer mit Versatzstücken und Formen verschiedener Gattungen, von Horror über Fantasy bis zum Computerspiel. Mit bösem, oft melancholischem Witz leuchtet Xaver Bayer die Angst-Räume unserer Zeit aus, denn immer wieder versinkt sein Held im Chaos, das in leuchtenden Details erzählt wird – letztlich bleibt ihm nur die eigene Phantasie als rettender Ort. (jole)

Erzählungen Xaver Bayer: Geschichten mit Marianne. Verlag Jung und Jung, 184 Seiten, 21 Euro.

Fliegenfischen als Schlüssel zur Welt

Innsbruck, Wien – Für den Prolog seines gut 800 Seiten starken Romans „Die Forelle“ wurde Leander Fischer im vergangenen Jahr beim Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb mit dem Deutschlandfunk-Preis ausgezeichnet. Mit dem fertigen Roman hat Fischer nun auch die Jury des Österreichischen Buchpreises überzeugt. Gestern wurde dem 28-Jährigen die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung für das beste Debüt zugesprochen. „Die Forelle“ handelt von einem Feingeist, der im Salzkammergut der 1980er-Jahre in die Geheimnisse des Fliegenfischens eingeweiht werden will. Beinahe assoziativ entwirft Fischer mit bisweilen beeindruckender Beschreibungswut ein zeitgeschichtliches Panorama der österreichischen Provinz zwischen Supermarktneubauten, umweltbewusster Gegenkultur und völkischen Männerbündlern. Die Jury unterstrich Fischers „Wortgewalt“ und lobte „Die Forelle“ als „literarischen Leckerbissen“. (jole)

Roman Leander Fischer: Die Forelle. Wallstein Verlag, 782 Seiten, 28.80 Euro.

Leander Fischer, geboren 1992 in Vöcklabruck, gewann 2019 den Deutschlandfunk-Preis beim Bachmann-Wettbewerb.
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