Biden stellt Corona-Expertenrat vor
„Ab dem ersten Tag bereit“ - das verspricht die neue Webseite des frisch gewählten US-Präsidenten Joe Biden. Und vor seinem offiziellen Amtsantritt will der Demokrat schon Pflöcke einschlagen: Am Montag will er einen Expertenrat zur Eindämmung der Corona-Pandemie vorstellen. Sein Ziel ist es, schon am Tag seiner Amtseinführung am 20. Jänner einen Aktionsplan zur Überwindung der Corona-Krise in die Wege zu leiten.
„Ich will, dass es jeder weiß: Wir werden unseren Plan, das Virus unter Kontrolle zu bringen, an unserem ersten Tag in Kraft setzen“, hatte Biden am Samstagabend (Ortszeit) in seiner Siegesrede in seinem Heimatort Wilmington betont.
Der Expertenrat solle eine Doppelspitze bekommen, erklärte Bidens Sprecherin Kate Bedingfield am Sonntag im Sender NBC News. Sie soll demnach von Vivek Murthy und David Kessler geleitet werden. Murthy war von 2014 bis 2017 oberster Gesundheitsbeamter der US-Regierung, Kessler leitete früher die Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA. Sie hätten seit März in der Pandemie beraten, sagte Bedingfield.
Die Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise dürften zu Beginn seiner Amtszeit Bidens größte Herausforderung sein. Biden hat den Wählern versprochen, auf die Empfehlungen der Wissenschaft zu hören, um die Pandemie einzudämmen. Ohne das Virus zu besiegen, „können wir die Wirtschaft nicht reparieren, die Dynamik nicht wiederherstellen, oder die schönsten Momente des Lebens genießen“, sagte Biden am Samstag. Alle Generationen einer Familie müssten sich wieder treffen können, Geburtstagsfeiern und Hochzeiten müssten wieder möglich sein, forderte Biden. Er werde dafür „keine Mühe oder Verpflichtung scheuen“, versprach Biden.
Die Pandemie ist in den USA, einem Land mit rund 330 Millionen Einwohnern, weiter völlig außer Kontrolle. Zuletzt meldeten die Behörden dort im Schnitt rund 100.000 Neuinfektionen pro Tag. Nach Zählung der Nachrichtenagentur Reuters durchbrachen die USA als erste Nation die Marke von insgesamt zehn Millionen Infektionen. Allein in den vergangenen zehn Tagen verzeichneten die Vereinigten Staaten rund eine Million Fälle, die höchste Infektionsrate seit dem ersten neuartigen Coronavirus-Fall im Bundesstaat Washington. Mehr als 237.000 US-Amerikaner sind an Covid-19 gestorben. Biden wirft Trump im Zusammenhang mit der Pandemie völliges Versagen vor und macht ihn für den Tod Tausender Amerikaner verantwortlich.
US-Medien berichteten, dass Bidens Team bereits eine Reihe von Verfügungen zu anderen Politikbereichen plane, die der Präsident im Jänner umgehend nach seiner Vereidigung unterschreiben wolle. Unter anderem soll er manche von Trumps strikten Einwanderungsregeln kippen wollen und die Rückkehr in das internationale Klimaschutzabkommen von Paris veranlassen wollen, wie die „New York Times“ berichtete.
Biden war nach einer schleppenden Auszählung der Stimmen am Samstag von US-Medien zum Sieger der Wahl vom Dienstag erklärt worden. Der amtierende Präsident Donald Trump wird noch bis 20. Jänner weiter regieren. Der Republikaner Trump stemmt sich allerdings gegen seine Abwahl nach nur einer Amtszeit und wirft den Demokraten Wahlbetrug vor - ohne dafür stichhaltige Beweise vorzulegen. Mit Hilfe seiner Anwälte hofft Trump, seine Niederlage noch abwenden. Die Erfolgsaussichten gelten aber als extrem gering.
Trotz des Streits um das Wahlergebnis gratulierten viele Staats- und Regierungschef Biden bereits, darunter auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und einer der bisher engsten Verbündeten Trumps, Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu. Auch der einzige noch lebende republikanische Ex-Präsident George W. Bush gratulierte Biden.
China hingegen reagierte zurückhaltend auf die Wahl von Joe Biden zum künftigen US-Präsidenten. „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Biden den Wahlsieg erklärt hat“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Wang Wenbin, am Montag auf seiner täglichen Pressekonferenz in Peking. Er verwies darauf, dass das Ergebnis der Wahl nach den Gesetzen und Verfahren der USA bestimmt werde. Einen Glückwunsch an den demokratischen Kandidaten - wie aus anderen Ländern - gab es aus Peking nicht.
Auch Russlands Präsident Wladimir Putin will dem Sieger der US-Präsidentenwahl erst nach Auszählung der Stimmen gratulieren. „Wir halten es für richtig, bis zur offiziellen Verkündung der Ergebnisse der Wahl zu warten“, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Montag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Zugleich sagte er, dass Putin zur Zusammenarbeit mit jedem Präsidenten bereit sei und die Wahl der amerikanischen Bevölkerung achte. Traditionell gilt der Kremlchef als jemand, der besser mit einem Republikaner wie US-Präsident Donald Trump als mit einem Demokraten wie Joe Biden zurechtkommt.
Laut einem Medienbericht soll sich die Leitung der für die US-Regierungsgebäude zuständigen Behörde weigern, einen Brief zu unterschreiben, mit dem das Biden-Übergangsteam Zugang zu US-Behörden erhalten und formal diese Woche die Arbeit aufnehmen kann. Dies sei ein weiteres Zeichen dafür, das Amtsinhaber Donald Trump den Wahlsieg des Demokraten Joe Biden nicht anerkenne und die Übergabe der Macht stören könnte, schreibt die „Washington Post“ in ihrer Online-Ausgabe vom Montag.
Ein solcher Brief der Behörde General Services Administration (GSA) kommt der Zeitung zufolge einer formalen Erklärung der US-Regierung über den Sieger der Präsidentenwahl gleich. Der amtierende US-Präsident Trump versucht, die Wahl mit rechtlichen Mitteln wie Klage doch noch zu gewinnen.
Die Auszählung der Stimmen dauerte in mehreren Bundesstaaten weiter an. In Georgia, Nevada, Arizona, North Carolina und Alaska gab es noch keinen Gewinner. Die ersten drei Staaten dürften relativ sicher an Biden gehen, die letzteren an Trump.