Kulturwissenschaft

Die Seuche verstehen lernen: Online-Tagung mit Corona im Fokus

Die Universität in Innsbruck (Archivfoto).
© TT / Thomas Böhm

Bei einer international besetzten Tagung nimmt die Universität Innsbruck in den kommenden Tagen Corona aus geistes- und kulturwissenschaftlicher Perspektive in den Blick.

Eine Online-Tagung der Uni Innsbruck blickt aus kulturwissenschaftlicher auf die Pandemie.

Innsbruck – Corona beherrscht den Alltag. Den direkt erfahrenen genauso wie den medial vermittelten. Die Pandemie, das Leben mit und der Kampf gegen das Virus sind eine Herausforderung. In vielfacher Hinsicht. Das Virus und die Reaktionen darauf wollen verstanden werden: medizinisch, psychologisch, politisch, gesellschaftlich.

Bei einer international besetzten Tagung nimmt die Universität Innsbruck in den kommenden Tagen Corona aus geistes- und kulturwissenschaftlicher Perspektive in den Blick. Ist die Pandemie die prägende Erfahrung einer ganzen Generation? Der Anfang vom Ende des Kapitalismus? Anstoß für ein neues Biedermeier? Gibt es historische Parallelen? Ist Corona Brennglas für gesellschaftliche Entwicklungen oder gar Brandbeschleuniger?

„Wir wollen Corona als Phänomen aus möglichst vielen Blickwinkeln beleuchten“, sagt Zeithistoriker Dirk Rupnow, der die Tagung „Corona verstehen“ mitorganisiert hat. Die Idee dazu entstand bereits im Frühjahr. „Wir dachten zunächst an universitätsinterne Workshops, die Ansätze aus verschiedenen Disziplinen zusammenführen“, sagt Rupnow. Die Resonanz darauf war groß. Auch international. Dass die Tagung nun als Online-Veranstaltung stattfinden muss, sei „auf eigentümliche Art stimmig“, sagt Rupnow. Die erste Corona-Tagung müsse wohl im Netz stattfinden.

In seinem Vortrag „Propheterie und Geschichte“ wird sich der Historiker mit frühen und vielleicht vorschnellen Deutungen der Corona-Situation in den Medien beschäftigen. Die Pandemie sei schnell als Zäsur von historischer Dimension interpretiert worden. „Ob solche Thesen haltbar sind, ist allerdings fraglich“, sagt er. Ziehe man die Spanische Grippe 1918/19 als Vergleichsfolie heran, sei auffallend, dass diese kaum Eingang in die Erinnerungskultur gefunden habe, „obwohl sie mehr Tote gefordert hat als beide Weltkriege zusammen“. Letztlich würden vorschnelle Deutungen mehr über die Propheten sagen als über die Pandemie: Die Untergangsbeschwörer beschwören den Untergang, Polemiker polemisieren, Optimisten beschreiben die Krise als Chance. „Kulturwissenschaftliche Analyse leistet einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussionen“, ist Rupnow überzeugt.

Der Tagungsauftakt (heute, 19 Uhr) ist literarisch: Bettina Balàka, Isabella Feimer und Thomas Stangl sinnieren über Corona-Journale. Anna Rottensteiner, Leiterin des Literaturhauses am Inn, moderiert.

Ab Donnerstag, 9.30 Uhr, stehen 16 Pannels und gut 50 Vorträge auf dem Programm. Inhaltlich spannt sich der Bogen von der gespenstischen Stille des Lockdowns über Epidemie und Rassismus bis zu „gefährlichem Gottvertrauen“ und pandemisch befeuerten Verschwörungsnarrativen. Den Keynote-Vortrag hält der Münsteraner Seuchen-Historiker Malte Thießen (Donnerstag, 19 Uhr). Alle Veranstaltungen werden live auf www.uibk.ac.at übertragen. (jole)

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