„Unterschätztes Karzinom": Viele Probleme beim Blasenkrebs
Früherkennung und Nachsorge sind beim Harnblasentumor extrem wichtig für die Überlebensdauer des Patienten. Den Krebs zu erkennen, ist jedoch nicht nur aufgrund oftmals fehlender Symptome schwierig.
Von Susann Frank
Innsbruck – Fachärzte bezeichneten den Blasenkrebs zuletzt als unterschätztes Karzinom, obwohl es die elft- häufigste Tumorart weltweit ist. Warum also dieser Titel?„Weil das Problem darin liegt, dass es wenig typische Patienten mit Frühsymptomen gibt, wie zum Beispiel Blut im Urin“, erklärt Renate Pichler. Zudem erklärt die Ärztin aus der Arbeitsgruppe und Spezialambulanz für urologische Onkologie der Uni-Klinik Innsbruck, dass ein Blasenkrebs schwer zu diagnostizieren sei. „Es gibt noch keine verlässlichen Merkmale im Körper, die auf die Erkrankung hinweisen.“
Hundertprozentig ausgeschlossen werden kann dieser Krebs lediglich durch eine Blasenspiegelung, die ambulant durchgeführt wird und wenig schmerzhaft ist. „Im Millimeterbereich ist es unmöglich für einen Radiologen, den Tumor im Ultraschall sicher zu sehen“, berichtet Pichler. Dabei ist es für die Heilungsaussichten wichtig, dieses oftmals sehr aggressive Karzinom möglichst früh zu erkennen. „Zeit spielt eine wichtige Rolle. Wenn der Tumor noch nicht in die Muskelschicht der Blase vorgedrungen ist, dann kann man ihn einfach wegschneiden und die Blase erhalten. Ansonsten muss man die Blase operativ entfernen“, berichtet Pichler.
Entweder wird danach ein künstlicher Ausgang gelegt oder eine neue Blase aus Dünndarm geschaffen, die wieder mit der Harnröhre verbunden wird. „Diese ist jedoch nicht vergleichbar mit der alten. Über Monate muss der Patient hart trainieren, umdie neue Blase in den Griff zu bekommen.“
Die Übungen sind jedoch das kleinere Übel, das große ist, dass 50 Prozent der Patienten auch nach einer radikalen Blasenentfernung wieder metastasieren würden. „Und dann liegt die Lebensdauer des Patienten ohne weitere Therapie durchschnittlich nur bei drei bis sechs Monaten.“
Eine niederschmetternde Nachricht für die Betroffenen. „Durch Chemo- und Immuntherapie können wir das Leben auf maximal eineinhalb bis zwei Jahre verlängern“, verkündet die Medizinern. Allerdings nur, wenn das jeweils gewählte Medikament auch anschlägt.
Um die richtige Behandlung herauszufinden, forscht Pichler zusammen mit ihrem Kollegen Zoran Culig und Wissenschaftern aus Luxemburg und Deutschland intensiv. Sie versuchen eine individuelle, personalisierte Medikation herauszufinden. „Dadurch erwarten wir uns die Verbesserung der Lebensqualität und besseres Überleben.“ Doch bis zur Beendigung dieser Studie vergehe noch einige Zeit. Eine neue Studie hätte hingegen gezeigt, dass Patienten, die im Anschluss an eine Chemotherapie bei Ansprechen gleich mit der Immuntherapie begonnen haben,noch zwei Jahre leben können. „Es hat sich herausgestellt, dass dies besser ist, als mit der Immuntherapie zu warten, bis wieder neue Metastasen entstehen.“
Wer das Risiko verringern möchte, an diesem aggressiven Tumor zu erkranken, der sollte keinesfalls rauchen bzw. damit aufhören. Denn 50 Prozent der jährlich 1700 erkrankten Österreicher sind nikotinsüchtig. Weitere Auslöser können beruflich bedingt sein: „Maler oder Lackierer sind besonders gefährdet“, erläutert Pichler. Und auch eine Bestrahlung im kleinen Becken kann bis zu 20 Jahre danach ein Auslöser sein. Insgesamt seien zwei Drittel der Patienten Männer mit einem Durschnittsalter zwischen 60 und 70 Jahren.
„Unbedingt zur Nachsorge zu gehen, auch in Zeiten von Corona!“, rät Pichler daher. Die Klinik sei ein sicherer Ort und „in den ersten zwei Jahren nach der Operation, egal ob ohne oder mit Blasenentfernung, ist das Risiko am höchsten, dass der Krebs wiederkommt“.
Leider sieht Renate Pichler derzeit deutlich mehr metastasierte Tumore als vor der Corona-Krise. „Ich befürchte, dass dies die Folge des ersten Lockdowns ist“, sagt die Urologin.