Harte Koalitionsverhandlungen nach Rumänien-Wahl erwartet
In Rumänien herrscht angesichts des überraschenden Ausgangs der Parlamentswahl vom Sonntag und der niedrigsten Wahlbeteiligung der Nachwendezeit Katerstimmung. Die regierenden Liberalen, die mit 25 Prozent der abgegebenen Stimmen lediglich zweitstärkste Kraft in der neuen Legislative von Bukarest werden, sind vorerst abgetaucht. Die mit knapp 30 Prozent erstplatzierten Postkommunisten (PSD) beanspruchen den Regierungsauftrag für sich, finden aber keine Koalitionspartner.
Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis gab am Montagabend in seiner ersten Stellungnahme nach der Parlamentswahl bekannt, dass das vorläufige Wahlergebnis zwar „die Postkommunisten (PSD) als Erstplatzierte, aber keine Links-Mehrheit“ bestätige. De facto gebe es keinen „eindeutigen Wahlsieger“, doch habe „das Mitte-Rechts-Lager mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen eingefahren“, weswegen sich eine bürgerliche Koalitionsregierung abzeichne.
So verlautete die PSD am Montag, dass eine potenzielle bürgerliche Koalition bestehend aus Liberalen, Reformbündnis USR-PLUS (knapp 16 Prozent der Stimmen) und dem Ungarnverband (UDMR, rund 6 Prozent) „jeglicher Legitimität“ entbehren würde. Staatspräsident Klaus Johannis habe den „mehrheitlichen Wunsch und Willen der Wähler“ zu achten. Seinerseits stellte PSD-Chef Marcel Ciolacu klar, keinen Anspruch auf das Amt des Regierungschefs zu haben. Bei den anstehenden Sondierungsgesprächen werde er dem Staatsoberhaupt insgesamt vier Anwärter auf das Amt vorschlagen - nämlich Rumäniens bekanntesten Virologen, Alexandru Rafila, der der PSD erst vor wenigen Wochen beigetreten war, die beiden früheren Premierminister Sorin Grindeanu und Mihai Tudose sowie den Chefideologen der Partei, Vasile Dancu.
Seitens des Reformbündnisses USR-PLUS hob PLUS-Chef Dacian Ciolos am Montag hervor, dass „das Wahlergebnis nicht das von Rumänien erhoffte“ sei, die Schuld jedoch „keineswegs bei den Wählern, sondern bei den Parteien“ liege. De facto habe keine Partei die absolute Mehrheit eingefahren, weswegen eine Koalitionsregierung unvermeidlich und ein „glaubwürdiger Regierungschef“ wesentlich seien. USR-Chef Dan Barna erinnerte seinerseits daran, dass das Reformbündnis bereits vor Monaten Ciolos als Anwärter auf das Amt des Premierministers aufgestellt hat.
Sowohl USR-PLUS als auch der Ungarnverband hatten bereits in der Nacht auf Montag mitgeteilt, für Verhandlungen über eine von den Liberalen geführte Regierungskoalition zur Verfügung zu stehen. Auch die Kleinpartei PMP (Volksbewegung) des früheren Staatschefs Traian Basescu kündigte an, dank der letzten noch auszuzählenden Wahlzettel aus dem Ausland die in Rumänien geltende 5-Prozent-Parlamentshürde aller Wahrscheinlichkeit nach doch noch zu übertreffen und ihrerseits umgehende Koalitionsverhandlungen mit den Liberalen eingehen zu wollen.
Rumänische Politikbeobachter gehen von knallharten Koalitionsverhandlungen aus, da die Beziehungen der Liberalen sowohl zum Reformbündnis als auch zum Ungarnverband seit Monaten äußerst angespannt sind. So hatten die Liberalen die als Hauptwettstreiter empfundene USR-PLUS vor allem im Wahlkampf wiederholt scharf attackiert - zumeist mit fadenscheinigen Vorwürfen, wobei die Retourkutschen des Bündnisses nicht lange auf sich warten ließen. Ein offenes Geheimnis ist zudem das denkbar schlechte Verhältnis zwischen Liberalenchef Ludovic Orban sowie Staatspräsident Klaus Johannis einerseits und dem Ungarnverband andererseits, der sämtliche Attacken der PSD auf das Justizsystem in den vergangenen Jahren dezidiert mitgetragen hatte.
Staatschef Johannis will sich am Montagabend erstmals zum Wahlausgang äußern. In den vergangenen Wochen hatte Johannis trotz seiner in der Verfassung verankerten politischen Neutralität die Wahltrommel für die ihm nahestehenden Liberalen gerührt.