Kultautor John le Carre gestorben
Der für seine Spionagethriller bekannte britische Schriftsteller John le Carre ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 89 Jahren an einer Lungenentzündung, wie sein Verlag Penguin Books am Sonntagabend mitteilte. Le Carre, der mit bürgerlichem Namen David Cornwell hieß, war am besten für seine Spionageromane bekannt. Ein Welterfolg wurde etwa sein 1963 erschienener Geheimdienstromane „Der Spion, der aus der Kälte kam“.
Authentizität gewannen die Bücher John le Carre, der am 19. Oktober 1931 im englischen Poole geboren wurde, nicht zuletzt dadurch, dass er selbst einige Zeit für die britischen Nachrichtendienste MI5 und MI6 gearbeitet hatte, bevor er sich der Schriftstellerei zuwandte und hier vor allem mit der Figur des Geheimagenten George Smiley erfolgreich wurde. Einem breiten Publikum wurde Le Carre dann durch die zahlreichen Verfilmungen seiner Werke bekannt. Vorlagen wie „Dame, König, As, Spion“, „Das Rußlandhaus“ oder „Der ewige Gärtner“ wurden auch auf der Leinwand zu großen Erfolgen.
Geheimnisse, Verrat und Lügen durchzogen bereits das frühe Familienumfeld des Engländers. Seine Mutter verließ die Familie, als er fünf Jahre alt war. Sein Vater war ein Hochstapler, der zwischen erschwindeltem Reichtum und dem Gefängnis pendelte. Mit ihm setzte sich Le Carre in vielen Büchern auseinander, wie zum Beispiel in „Ein blendender Spion“ (1986).
Le Carre studierte Germanistik in der Schweiz und arbeitete schließlich als Agent für den britischen Geheimdienst - allerdings nicht besonders erfolgreich. Währenddessen fing er an zu schreiben; mit seinem dritten Roman - „Der Spion, der aus der Kälte kam“ - schaffte er den Durchbruch. Er wurde bekannt für seine intelligenten und spannungsgeladenen Spionageromane, die sich vor allem um den Kalten Krieg drehten.
Zugleich wollte Le Carre zeitlebens mehr sein als nur ein Autor von Spionageromanen. Er meldete sich immer wieder politisch zu Wort und verurteilte etwa den westlichen „Krieg gegen den Terror“. Er kritisierte Günter Grass für dessen langes Schweigen über die Waffen-SS-Mitgliedschaft und die Journalisten für ihre Oberflächlichkeit. Der Autor blieb bis ins hohe Alter anklagend, unbequem, streitlustig und streitbar.
Nach dem Ende des Kalten Krieges, der lange Zeit den thematischen Hintergrund für Le Carres Werk geliefert hatte, wurde Afrika der neue Lieblingsschauplatz des Autors. Schon „Der ewige Gärtner“ spielte dort, eine tragische Geschichte des Scheiterns guter Westler vor dunklen Geschäften der Pharmakonzerne. Überhaupt hatte le Carre nach dem Ausklingen des Ost-West-Konflikts vor allem die Wunden der Welt im Blick, ob Drogenhandel, schmutzige Waffengeschäfte oder die Machenschaften der Mächtigen jeder Couleur.
Insofern unterschied sich Le Carre von den meisten handelsüblichen Thrillerautoren. Er war zwar stets ein Meister der Spannung, die den Leser atemlos durch noch so lange Romane treibt, zugleich aber brillierte er mit sprachlicher Eleganz und einer Komplexität der Charaktere, auf die auch viele „ernste“ Autoren neidisch waren. Spionage, Komplotte und die ganze Geheimniskrämerei seien nur eine Kulisse, „Mobiliar“, betonte Le Carre oft selbst.
In jedem seiner Bücher ging es im Kern um die Menschen im Netz der Handlung, um Liebe und Verrat. Verrat an dem Dienst, am Partner, an den eigenen Überzeugungen oder an sich selbst - Le Carre erforschte in seinen gut fünf Jahrzehnten als Schriftsteller viele Facetten und Abgründe der menschlichen Seele. Und Liebe war auch immer im Spiel - schließlich könne man nur verraten, was man liebt, sagte er einst.
Die bekannteste Figur von Le Carres Universum wird wohl George Smiley bleiben, der übergewichtige, von moralischen Zweifeln zerfressene scharfsinnige Meisterspion, der ständig von seiner Frau betrogen wird. Die Trilogie aus „Dame, König, As, Spion“, „Eine Art Held“ und „Agent in eigener Sache“ (1973-79) zementierte Le Carres Weltruhm. Smiley war auch eine der populärsten Rollen von Alec Guinness.
So ist Le Carre, in mancher Hinsicht bemerkenswert altmodisch geblieben: Er mochte kein Telefon und schrieb seine Bücher bis zum Ende per Hand. „Wenn man in meinem Alter ist und man eine Geschichte sieht, sollte man sie lieber schnell anpacken“, sagte er bereits im formalen Rentenalter in einem Interview.