Abtreibung

Frauenrechte in Österreich: „Abtreibung ist immer noch ein Tabu“

Menschen gehen in Polen auf die Straße, um gegen das Abtreibungsgesetz und für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen zu demonstrieren.
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Seit Wochen demonstrieren Zigtausende Menschen in Polen gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. Auch in Österreich sind Frauenrechte eingeschränkt. Ein Schwangerschaftsabbruch ist prinzipiell strafbar.

Von Nicole Strozzi

Innsbruck – Im Oktober hatte das Verfassungsgericht in Warschau entschieden, dass Frauen selbst bei schweren Fehlbildungen des Fötus die Schwangerschaft nicht beenden dürfen. Seitdem demonstrieren Menschen auf der Straße, Frauen tragen Plakate mit den Aufschriften „Mein Körper, meine Wahl“.

Auch in Österreich strenge Gesetze

„Die Situation ist schlimm“, sagt Christian Fiala, ärztlicher Leiter des Gynmed-Ambulatoriums für Schwangerschaftsabbruch und Familienplanung in Wien. Doch es sei einfacher, sich über Polen zu echauffieren, als im eigenen Land zu kritisieren. Auch in Österreich liege vieles im Argen. Noch immer droht Frauen, die einen Abbruch ihrer Schwangerschaft selbst durchführen – und etwa im Internet eine Abtreibungspille bestellen – eine Gefängnisstrafe.

Die Ausnahme ist die so genannte Fristenlösung. Demnach bleibt ein Abbruch straffrei, wenn er innerhalb der ersten drei Monate nach ärztlicher Beratung stattfindet oder wenn eine ernsthafte Gefahr für Mutter oder Kind bzw. eine schwere Fehlbildung besteht. In manchen Krankenhäusern wurden auch Kommissionen eingerichtet, welche, so Fiala, „ohne jede gesetzliche Basis entscheiden“, ob nach Ablauf der ersten drei Monate ein Abbruch möglich ist oder nicht.

„Das Gesetz der Fristenlösung lässt zwar einen Spielraum zu, beseitigt aber nicht die grundsätzliche Strafbarkeit. Es bleibt ein Schandfleck im Gesetz, der dort nichts zu suchen hat“, sagt Fiala. Eine 47-jährige Frau, die vielleicht denkt, sie sei bereits im Wechsel, und zu spät merkt, dass sie ein Baby erwartet, ist mitunter gezwungen, im Ausland abzutreiben, so Fiala.

In Kanada schon seit 1988 Entscheidung der Frau

Es sei ein Skandal, dass in Österreich, einem demokratischen Staat, Frauen seit der Zeit von Maria Theresia nicht über das Intimste, über die eigentliche Fruchtbarkeit, selbst bestimmen können und bevormundet werden.

In Kanada etwa wurde besagter Passus im Strafgesetz bereits 1988 gestrichen. Das Oberste Gericht entschied, dass ein Abbruch einzig die Frau selbst und ihren behandelnden Arzt etwas angeht. „Und die jahrzehntelange Erfahrung seither zeigt, dass es kein Verbot braucht“, betont der Frauenarzt.

Etwa 30.000 Schwangerschaftsabbrüche werden in Österreich jährlich vorgenommen, schätzt der Arzt. Eine genaue Statistik fehlt. „Ein Verbot bringt nicht weniger Abbrüche, sondern hält nur die Gesellschaftsmoral aufrecht“, ist Fiala überzeugt.

Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche werden nicht von der Krankenkasse übernommen

Die Zahlen würden sich nur ändern, wenn die Prävention besser wäre. „Österreich ist das einzige Land in Westeuropa, in dem Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche, die zwischen 500 und 1000 Euro kosten, nicht von der Krankenkasse bezahlt werden“, sagt der Gynäkologe. Fialas Wunsch wäre es, dass Frauen Verhütungs- und Abtreibungspillen, die bis zur neunten Schwangerschaftswoche zugelassen sind, rezeptfrei in der Apotheke kaufen könnten.

„Die meisten Menschen wollen Kinder. Doch ein Kind zu bekommen, ist eine Entscheidung der Zukunft.“ Es gehe um Verantwortung, darum, das Kind die nächsten 20 Jahre begleiten und auch finanziell unterstützen zu können.

In den Tiroler Krankenhäusern werden keine Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen der Fristenlösung durchgeführt. Es gibt nur einen niedergelassenen Gynäkologen, der solche Eingriffe tätigt. Obwohl eine solche medizinische Abwicklung seit Sommer auch niedergelassenen Ärzten erlaubt ist, „sind viele Kollegen zurückhaltend“, erklärt Caroline Brunner, Fachärztin für Gynäkologie am Krankenhaus Hall. Frauen weichen oft nach Salzburg, Wien oder Bayern aus.

Moral und Religion tabuisieren Schwangerschaftsabbrüche

„Ein Schwangerschaftsabbruch ist immer noch ein Tabu“, betont die Ärztin. Das habe mit Moral und auch Religion zu tun. Verhütungsfehler, eine Vergewaltigung, eine Lebenskrise – egal welche Gründe vorliegen: „Für keine Frau ist es eine leichte Entscheidung, sich gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden“, weiß Brunner. Der psychische Druck, der auf Frauen lastet und von der Gesellschaft oder auch von der eigenen Familie ausgeht, ist enorm.

Die Gynäkologin ist u. a. für die Pränataldiagnostik zuständig. Beim Organscreening innerhalb der 20. bis 22. Woche werden die meisten Fehlbildungen des Fötus entdeckt. Nach genetischen Abklärungen vergehen manchmal weitere drei Wochen. Die Zeit für die Frauen tickt.

Brunner wäre es wichtig, dass Frauen im eigenen Land Hilfe bekommen und dass die soziale und psychologische Unterstützung ausgeweitet wird. Es dürfe nicht sein, dass sich Frauen im Ausland, womöglich unter schlechten Bedingungen und mit Sprachbarrieren, behandeln lassen müssen.

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