Teil 16

Die gute Geschichte: Frau Mair und ihr Gespür für die Gerechtigkeit

Derzeit lernt Marga Mair (2. v. l.) mit Maturantinnen öffentlicher Schulen für die Uni-Aufnahmeprüfung im Jänner 2021.
© Mair/ Kawsay Muju

Seit 23 Jahren lebt die Osttirolerin Marga Mair in Bolivien. Ihr Leben dort widmet sie dem Kampf gegen die soziale Ungleichheit.

Cochabamba, Lienz – Ein Binnenstaat im Herzen des Kontinents mit hohen Bergen und landwirtschaftlicher Tradition: Die Beschreibung trifft für Österreich und Bolivien gleichermaßen zu. Marga Mair ist in Europa geboren, aber auch in Südamerika zu Hause. Die gebürtige Lienzerin lebt mit ihrer Familie in Cochabamba, der viertgrößten Stadt Boliviens. Obwohl sie ihre Angehörigen und Bekannten in der Heimat stets vermisst, gehört ihr Herz dem Staat im Andengebirge und den Menschen dort, mit denen sie den Traum von einer gerechteren Welt teilt.

Als Jugendliche in Tirol habe alles angefangen, erzählt Marga Mair heute: „Mit 17 Jahren las ich das Buch ,Die offenen Adern Lateinamerikas‘ von Eduardo Galeano. Es sensibilisierte mich für Themen der Ungerechtigkeit und weckte mein Interesse für diesen Teil der Welt.“ Während des Studiums in Wien gelangte sie dann im Rahmen einer Exkursion erstmals nach Bolivien und war gefesselt: „Das Land und seine Kultur haben mich von Anfang an fasziniert. Andererseits waren Themen der sozialen Ungerechtigkeit präsent, die mich dazu bewegten, meine Diplomarbeit in Bolivien zu schreiben.“ Im Alter von 28 Jahren, nach der Geburt ihrer zweiten Tochter, stellte sich für Marga Mair schließlich die Frage, wohin sie ihr Weg nun führen soll.

Seit 23 Jahren lebt Marga Mair nun schon in dem Andenstaat, der ihr zur zweiten Heimat geworden ist. Die Solidarität mit jenen Menschen im Land, die aufgrund der herrschenden sozialen Ungleichheit weniger Chancen haben oder deren Rechte mit Füßen getreten werden, sei in der langen Zeit nur noch größer geworden. „Angesichts der Diskriminierung der indigenen und ländlichen Bevölkerung war es mir von Anfang an ein Anliegen, gemeinsam mit den Betroffenen daran zu arbeiten, die Lebensumstände benachteiligter Menschen und Bevölkerungsgruppen zu verbessern.“ Aus diesem Grund sei sie in all den Jahren immer im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig gewesen.

Als Gründungsmitglied und langjährige Direktorin der Nichtregierungsorganisation Yachay Chhalaku, was auf Deutsch so viel wie „Austausch von Wissen“ bedeutet, schlug die Mutter von vier Kindern auch beruflich eine Brücke zwischen Europa und Südamerika. Die Tiroler Stiftung Bruder und Schwester in Not der Diözese Innsbruck fördert als Partnerorganisation die Projekte von Yachay Chhalaku, wie zum Beispiel eine Kooperative für Bio-Produkte in der Region Cochabamba. Dort verkaufen achtzehn kleinbäuerliche Ini­tiativen ihre Produkte in einem Bio-Geschäft der Region. Das Projekt bringt Erzeuger und Erzeugerinnen mit Verkäuferinnen und Verkäufern zusammen und unterstützt den Aufbau von regionalen Produktions- und Verkaufsstätten.

Doch derzeit steckt die Wirtschaft Boliviens in einer großen Krise. Die Covid-19-Pandemie fügte vor allem den sozial schwächeren Bevölkerungsschichten schweren Schaden zu und verschärfte die Schere zwischen Arm und Reich. Marga Mair zeigt sich kämpferisch: Rückschläge und langwierige Prozesse seien nun einmal Teil dieser Arbeit, aber es gebe stets Grund für Optimismus. „Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie sich die Menschen, die selber gerade genug zum Überleben haben, trotzdem organisieren und sich gegenseitig unterstützen“, schildert sie die Erfahrungen der letzten Monate. Ihrem Traum von einer gerechteren Welt und der Arbeit an der Basis ist sie auf jeden Fall bis heute treu geblieben. Mittlerweile arbeitet Mair als lokale Projektkoordinatorin für eine Stiftung aus Liechtenstein sowie ehrenamtlich als Direktorin einer bolivianischen Stiftung. „Es ist sicherlich noch ein langer Weg hin zur sozialen Gerechtigkeit, aber einen Beitrag dazu zu leisten, ist nach wie vor die zentrale Motivation in meinem Leben.“ (TT)

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