Neues Album

Wärmende Winterreise mit Sir Paul McCartney

Paul McCartney muss sein Profil nicht mehr nachschärfen. Er blickt auf 60 Jahre einer Weltkarriere zurück.
© Universal

Paul McCartney hat im Lockdown ein fantastisches Solo-Album eingespielt. „McCartney III“ kommt als Trostspender in der Krise.

Von Markus Schramek

London, Innsbruck – Knapp vor dem Ultimo dieses strapaziösen Jahres ist sie da: die Erkenntnis, dass selbst eine dauerlästige Seuche positive Nebenwirkungen hervorzurufen vermag. Eine kühne Behauptung, gewiss, allerdings schreibt sie sich leicht, wenn man gerade Paul McCartneys neues Album „McCartney III“ im Ohr hat. Dieses Spätwerk des Ex-Beatle hätte es ohn­e Lockdown wohl kaum gegeben. Daher, ganz ohne Ironi­e: Danke, Corona!

Sir Paul, 78, wollte heue­r auf Tournee gehen. Doch dann suchte ein Teufelsvirus die Welt heim. Der Musiker fand Zuflucht im Landhaus seiner Tochter Mary im Süden Englands. Die Tagesfreizeit nützte er standesgemäß: Er komponierte und spielte und probierte. Elf neue Songs, allesamt im Alleingang gefertigt, sind das Ergebnis einer kreativen Auszeit.

„McCartney III“ erscheint morgen, am 18. Dezember. Und „Erscheinen“ beschreibt es in diesem Fall gerade gut genug: Es ist ein grandioses Album geworden, eines der besten des Jahres, mit Songs, die gleichermaßen unter die Haut und ins Herz gehen.

Der Albumtitel (mit der Nummer III) ist selbst­referentiell. An Weggabelungen seiner einzigartigen Karrier­e hat der Sänger und Multi­instrumentalist nämlich schon zwei ähnliche Solos hingelegt. 1970 besiegelte das Album „McCartney“ das Ende der Beatles. Zehn Jahre später befand sich die Nachfolgeband Wings in Auflösung. Die Scheibe „McCartney II“ folgte als Antwort darauf.

Für die krisenhafte Kuliss­e von „McCartney III“ sorgt diesmal kein Band-Krach, sondern eine Pandemie. Dieser bietet der ältere Herr mutig die Stirn, wenn er in „Find My Way“, einem der kolossalen neuen Songs, die Ängste unserer Zeit zerstreut.

Pop, Blues, Rock, Folk – der vielseitige McCartney präsentiert sich auf der Neu-Scheibe weit gereist und herzhaft entspannt. Seine Singstimme befindet sich im Sinkflug. Manchmal ächzt und bricht sie, wechselt ins Falsett. Das klingt geerdet und echt, authentisch im besten Sinne. Wer braucht da technischen Aufputz-Firlefanz, soll man die Musik eines wahren Meisters etwa gar glattbügeln wie ein Bild im Photoshop? Gott sei Dank soll man das nicht.

Ganz tief hinein geht Pauls balladesker Gesang, begleitet von Akustikgitarre und Piano. „Women and Wives“ verdient einen Ehrenplatz in McCartney­s schon jetzt brechend voller Best-of-Auslese.

„Long Tailed Winter Bird“ und das korrespondierende „Winter Bird/When Winter Comes“ umrahmen das neue Album als Opener und Schlussstück. Beides sind kleine Meisterwerke. Da kann man gar nicht anders, als sentimental zu werden. Draußen ist’s Winter, doch drinnen spendet einer der ganz Großen Trost und Kraft.

Vintage Pop-Rock Paul McCartney: „McCartney III.“ Erscheint bei Universal am 18. Dezember.

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