Katharina Stemberger fordert Umdenken der Regierung bei Moria
Schauspielerin Katharina Stemberger hofft, dass die Regierenden umdenken – und Flüchtlinge aus griechischen Lagern in Österreich beherbergen.
Von Karin Leitner
Wien – Katharina Stemberger setzt sich seit Jahren für Flüchtlinge ein. Nun steht die Schauspielerin, die dem Vorstand des Wiener Integrationshauses vorsitzt, der Initiative „Courage – Mut zur Mitmenschlichkeit“ vor – ob der verheerenden Lage in griechischen Flüchtlingslagern.
Immer mehr Leute schließen sich dieser an. Solche aus der Zivilgesellschaft, Wissenschafter, Sportler, Künstler – wie der Schauspieler Klaus Maria Brandauer, der sich im TT-Interview zur Causa geäußert hat – und Kirchenvertreter wie der Tiroler Bischof Hermann Glettler. Auch der Wiener Kardinal Christoph Schönborn und die Tiroler ÖVP-Landesrätin Beate Palfrader appellieren an die türkis-grünen Koalitionäre, Menschen aus den Lagern in Lesbos und Samos aufzunehmen.
Kinder und Jugendliche, die sich das Leben nehmen
Ihr Engagement in dieser Sache erklärt Stemberger im Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung so: „Das Schicksal dieser Menschen berührt mich sehr. Wenn man sich vorstellt, dass sie von allem lassen, was ihnen vertraut ist – dem Land, in dem sie geboren sind, der Sprache, Freunden, Familie, in Boote steigen – im Wissen, dass sie bei der Überfahrt sterben können. Dass sie zu Recht denken, europäischen Boden betreten, sich ausruhen zu können, wie ein Mensch behandelt zu werden. Und dann das.“
Schon vor einem Jahr sei ihr berichtet worden, dass sich Kinder und Jugendliche auf Moria das Leben nehmen. „Das hat mir – auch als Mutter – einen Stich gegeben. Wie verzweifelt muss ein siebenjähriges Kind, traumatisiert von Krieg und Zerstörung im Herkunftsland, sein, dass es sich denkt, nicht einen Tag länger in einem solchen Lager auszuhalten?“
Während des Corona-bedingten Lockdowns im Frühjahr habe sie Leute, die derlei nicht hinnehmen wollen, „an einen virtuellen Tisch gebracht“, sagt Stemberger. Kürzlich waren sie und Bischof Glettler auf Lesbos: „Wir wollten nicht weg-, sondern hinschauen.“ Was sie dort erlebt habe, sei erschütternd.
Lager in Griechenland müssen „sofort evakuiert werden"
Dass die ÖVP keine Flüchtlinge hierzulande aufnimmt, kommentiert Stemberger so: „Diese Partei ist mit einer restriktiven Migrationspolitik an die Macht gekommen. Das ist zu akzeptieren. Wenn die politisch Verantwortlichen gesehen hätten, was ich und der Bischof gesehen haben, müssten sie wissen, dass ,Hilfe vor Ort‘, von der sie reden, nicht funktioniert. Man muss die Dinge beim Namen nennen: Diese Haltung geht auf Kosten von Menschenleben.“ Die Lager in Griechenland müssten „sofort evakuiert werden. Jeder, der sich wegduckt, sollte sich nie mehr auf christliche Werte beziehen.“
Jenen, die keine dieser Flüchtlinge in Österreich haben wollen, sagt Stemberger: „Es geht nicht darum, die ganze Welt zu retten und Kriege zu beenden. Das können wir nicht. Wir können aber einen Beitrag angesichts einer humanitären Katastrophe leisten.“ Es gehe auch nicht darum, „in einem Ort mit 300 Einwohnern 50 Leute unterzubringen. Bei gerechter österreichweiter Aufteilung ist das für niemanden ein Problem.“
Stemberger und Glettler haben vergangene Woche via Skype mit Grünen-Vizekanzler Werner Kogler dahingehend konferiert. Dieser sagt ja, dafür zu sein, Flüchtlingen in Österreich Schutz zu bieten, die ÖVP wolle das aber nicht. „Bischof Glettler und ich haben Kogler erzählt, was wir erlebt haben.“ Dieser sei ob der Schilderung „sehr berührt“ gewesen: „Die Frage ist nun, ob die ÖVP-Landeshauptleute und ÖVP-Bürgermeister aus der Deckung gehen – und sich dafür einsetzen, dass in der gesamten Regierung umgedacht wird. Unter dem Aspekt der Notsituation.
Stemberger schließt nicht aus, dass ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz umschwenkt: „Ich glaube, dass die Möglichkeit – auch im Hinblick auf das bevorstehende Weihnachten – im Raum steht.“ Wie viele Flüchtlinge sollten in Österreich untergebracht werden? „Es geht nicht darum, Tausenden Menschen hier Schutz zu bieten. Es heißt: Wenn man einen Menschen rettet, rettet man die ganze Welt. Bischof Glettler hat von 100 Familien gesprochen. Das ist eine gute Zahl“, antwortet Stemberger.
Seit Oktober habe sich ihre Initiative um Quartiere bemüht: „Es gibt österreichweit mehr als 3000 Plätze.“ Diese vergeben könne aber weder ihre Initiative noch ein Bürgermeister: „Rechtlich ist dafür der Sanktus der Bundesregierung nötig.“
Stemberger verweist auf die hiesige Tradition: „Österreich ist ein kleines Land. Wir haben aber immer geholfen. Abgesehen davon ist es eine Pflicht aller Länder der EU, einen Beitrag zu leisten.“ Und was den „Pullfaktor“, von dem die ÖVP spricht, anlangt: „Das ist doch ein Märchen. Kein Mensch steigt in ein Boot, wenn die Wahrscheinlichkeit 50 Prozent ist, dass er absäuft.“ Sie wolle jedenfalls einst nicht von ihren Enkeln hören: „Wenn du gewusst hast, was los ist – warum hast du nichts gemacht?“