Hilfe für vergessene Helden: Pensionsversicherung für pflegende Angehörige
Pflegende Angehörige können sich kostenlos pensionsversichern. Der Bund springt ein.
Von Simone Tschol
Reutte – Spätestens seit dem Beginn der Corona-Krise sind sie die „Helden des Alltags“: die Pflegekräfte. Im Frühjahr beispielsweise applaudierten Menschen auf der ganzen Welt von Balkonen, um ihre Wertschätzung für deren geleistete Arbeit in Spitälern und Seniorenheimen auszudrücken.
Auf die größte Gruppe der Pflegekräfte – die pflegenden Angehörigen – wurde dabei vergessen. Von ihnen ist nie die Rede, ihnen applaudiert niemand. Schon vor der Pandemie gelangten sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 brachen auch die letzten Hilfsangebote wie Selbsthilfe- und Betreuungsgruppen oder die Einrichtungen der Tagespflege weg. Viele sind seit März isoliert, weil sie ihre Kontakte freiwillig stark einschränken, um die pflegebedürftigen Angehörigen nicht zu gefährden.
Elisabeth Schuster, Gemeindevorstand und Obfrau des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit in der Marktgemeinde Reutte, kennt die Problematik. „Gerade in ländlichen Regionen werden viele alte oder kranke Menschen zuhause gepflegt. Manchmal sind die pflegenden Angehörigen selbst im Rentenalter. Noch öfter jedoch sind es Kinder oder Schwiegerkinder, die die Angehörigen zuhause versorgen. Meist übernehmen Frauen diese gesellschaftlich wichtige Aufgabe“, weiß Schuster aus eigener Erfahrung.
Viele von ihnen würden dafür die Erwerbstätigkeit aufgeben, ohne zu wissen, dass sie sich pensionsversichern können. Schuster appelliert daher: „Es gibt für pflegende Angehörige die Möglichkeit, sich kostenlos über die Pensionsversicherungsanstalt weiterzuversichern und Zeiten zu erwerben.“
Scheiden Personen aus einer Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit aus, um einen nahen Angehörigen zu pflegen, besteht unter folgenden Voraussetzungen eine Weiterversicherungsmöglichkeit: Pflegegeld des Angehörigen mindestens in Höhe der Pflegestufe 3, gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft sowie Pflege in häuslicher Umgebung.
Werden die Vorgaben erfüllt, ist diese Pensionsversicherung kostenlos. Den Beitrag übernimmt der Bund. Die Beitragsgrundlage orientiert sich am vorherigen Erwerbseinkommen.
Für Personen, die einen nahen Angehörigen pflegen, besteht auch die Möglichkeit einer Selbstversicherung. Diese Selbstversicherung ist auch zulässig, wenn vorher keine Pensionsversicherung bestanden hat. Sie ist auch neben einer Erwerbstätigkeit möglich – unter folgenden Voraussetzungen: Pflegegeld des Angehörigen mindestens in Höhe der Stufe 3, erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft, Pflege in häuslicher Umgebung sowie der Wohnsitz im Inland.
Auch diese Pensionsversicherung ist für die Pflegenden kostenlos, den Beitrag übernimmt der Bund. Die monatliche Beitragsgrundlage beträgt 1922,59 Euro. Im Pensionskonto werden daher 1,78 % (34,22 Euro monatlich) als Teilgutschrift erworben.
Schuster: „Es ist wichtig, dass man Pensionszeit erwirbt, und wenn es nur ein Jahr ist.“