Literatur

Poetry-Slammerin Mieze Medusa: Flucht in ein eigenes Leben

Mieze Medusa ist beim Prosafestival im April zu Gast in Tirol.
© claudia rohrauer

Drei Welten, die in der Provinz aufeinandertreffen: Die Wahltirolerin und Poetry-Slammerin Mieze Medusa legt mit „Du bist dran“ einen kurzweiligen Roman vor.

Innsbruck – Wer will am Ende schon alleine dastehen? Agnesa, Eduard und Felicitas jedenfalls nicht – auch wenn sie sich dessen nicht von Anfang an bewusst sind. Ihre Lebenserzählungen beginnen getrennt voneinander: Agnesa, die übergewichtige Schulabbrecherin, kommt nur im griechischen Restaurant ihres Stiefvaters in Kontakt mit Fremden. Den Rest der Zeit verbringt sie mit Queen Bee am Handy – keiner realen Freundin, sondern ihrem Idol Beyoncé. Handy hat Eduard keines – datenschutztechnisch viel zu unsicher. Wenn sich jemand damit auskennt, dann ja wohl der IT-Techniker in der Midlife-Crisis, der sich nicht nur regelmäßig in die Webcams seiner Ex-Freundin hackt, sondern auch Mails und Browserverläufe seiner Kunden scannt. Aus purer Langeweile. Von einem aufregenden Leben hat sich auch Felicitas längst verabschiedet. Die Alt-68erin, die selbst schon ihren Siebziger erreicht hat, hat die Stadt und die Kommune für ein Leben auf dem Land hinter sich gelassen.

Karriere durch Poetry-Slams

In der Provinz, zwischen Wald-Rave, Urlaub am Bauernhof und Krankenhaus-Luft, lässt Mieze Medusa ihre drei Außenseiter schlussendlich aufeinandertreffen. Mit „Du bist dran“ legt sie, die im wahren Leben Doris Mitterbacher heißt und mit Poetry-Slam in und um Tirol eine steile Karriere gemacht hat, jetzt einen Roman vor. Nicht ihren ersten. Inzwischen lebt die Wahlinnsbruckerin in Wien.

Ihre Romanfigur Agnesa hingegen flüchtet aus der Hauptstadt, sie hat genug von Moussaka und „Mamas Stahlbetonhaut“ . Sie will ein eigenes Leben. In Bruck an der Laa könnte ein solches auf sie warten. Erst als ein älterer Herr sie dort unaufgefordert angrabbelt, flüchtet sie erneut. In den Wald, aus dem sie so schnell nicht wieder zurückkehrt.

Mit diesem zweiten Aufbruch, ziemlich genau zur Mitte der Erzählung, nimmt das Buch überraschend an Fahrt auf. Als Leser ist man erst warm geworden mit den unterschiedlichen Charakteren, ihrer Sprache und ihren Faxen, schon werden die Karten neu gemischt: Agnesa landet nach ihrer Flucht bei Felicitas und ihrem Partner Hermann, der wenig später einen Herzinfarkt erleidet. Im Krankenhaus wartet Eduard, Hermanns Sohn, auf die beiden. Das Spannende an diesem Twist: Alle drei wachsen an der neuen Konstellation.

Erzählstrang ähnelt Seriendrehbuch

Dennoch, dass der Roman auf ein Zusammentreffen hinarbeitet, kommt wenig überraschend. Wie Mieze Medusa Kapitel für Kapitel, Szene für Szene, Erzählstrang um Erzählstrang zusammenspinnt, ähnelt einem Seriendrehbuch. Der Leser hangelt sich an knappen Sätzen von Leben zu Leben, von Cliffhanger zu Cliffhanger. Mal taucht die Sprache in Nerd-Wissen ab, mal bedient sie sich der kämpferischen Motive der Vollblutfeministin. Erst als die drei zur unfreiwilligen Gemeinschaft werden, wird gemeinsam Erlebtes auch über drei Perspektiven erlebbar. Ein erzählerischer Kniff, der Agnesas und Felicitas Beziehung bereichert, die beiden brauchen sich am Ende wohl gegenseitig am meisten.

„Du bist dran“ ist ein kurzweiliges Vergnügen, ein kurzes Kennenlernen mit drei Welten, in die der Leser gar nicht allzu tief abtauchen möchte. Der Titel inspiriert als direkte Aufforderung besser dazu, über den eigenen Platz im Leben, über Wertevorstellungen oder Träume, die irgendwo schlummern, nachzudenken. Egal ob alleine oder gemeinsam.

Roman Mieze Medusa: Du bist dran. Residenzverlag, 257 Seiten, 22 Euro.

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