Nach Militärputsch

Tiroler berichtet aus Myanmar: Gespannte Ruhe nach dem Putsch

Friedlicher Protest gegen die Machtübernahme des Militärs: Menschen in Yangon machen mit Schlaginstrumenten Lärm.
© AFP

Nach dem Putsch hat sich das öffentliche Leben weitgehend normalisiert, berichtet der Tiroler Christoph Ebead.

Von Floo Weißmann

Yangon – Drei Tage nach seinem Putsch will das Militär in Myanmar offenbar die bisherige faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi anklagen. Im Internet kursierten Gerüchte, wonach die populäre Politikerin, die unter Hausarrest steht, wegen Hochverrats vor Gericht gestellt werden soll. Ihre Partei NLD berichtete hingegen von einer Anklage wegen Verstößen gegen Importbestimmungen. Demnach geht es u. a. um Funkgeräte, die bei ihr gefunden worden sein sollen. In jedem Fall dürfte eine Verurteilung zur Folge haben, dass Suu Kyi bei der vom Militär in Aussicht gestellten Wahl in einem Jahr nicht mehr antreten kann – sofern ihre NLD überhaupt daran teilnimmt.

Indessen hat sich die öffentliche Lage wieder weitgehend normalisiert, berichtete der Tiroler Journalist Christoph Ebead der TT. „Wüsste man nicht von dem Putsch, würde man nichts davon merken.“ Der frühere Chefredakteur der Tirolerin lebt seit dem Herbst in Myanmar, wo seine Frau für eine internationale Organisation arbeitet.

Am Montag, dem Tag des Militärputsches, seien Internet, Telefone, Radio und Fernsehen abgedreht worden, vor den Supermärkten bildeten sich Schlangen von Menschen, die Notvorräte hamsterten. Doch bereits seit Dienstag läuft das öffentliche Leben wie gewohnt. Nur ausländische Nachrichtensender, die bis dahin per Satellit empfangen werden konnten, seien weiterhin gesperrt.

Christoph Ebead
 (Tiroler in Myanmar): „Das Militär in Myanmar hat viel Einfluss und viel zu verlieren.“
© Ebead

Die Anhänger der NDL hätten sich mit Protesten zurückgehalten, berichtet Ebead. Der Widerstand, zu dem die Partei Suu Kyis via Facebook aufgerufen hatte, bleibe friedlich. Die Leute würden abends auf ihren Balkonen auf Töpfe klopfen oder ihre Facebook-Fotos schwarz markieren. Zugleich hätten die Menschen das Gefühl, dass an der Militärherrschaft vorerst nicht zu rütteln ist und man sich arrangieren muss.

Ebead betont, welche Rolle Suu Kyi als Hoffnungsträgerin für viele Menschen in Myanmar spielte. Zwar habe sie mit den Militärs zusammenarbeiten müssen und Teile ihrer Agenda nicht umsetzen können. „Trotzdem haben die Leute sie (bei der Wahl im November) wiedergewählt.“ Es sei auch kein Nachfolger für die 75-Jährige in Sicht.

Den Putsch würden viele Menschen in Myanmar als vertane Chance für das Land sehen – nach den zaghaften Schritten in Richtung Demokratie in den vergangenen Jahren. Zugleich aber seien die Menschen mit der Herrschaft des Militärs vertraut: „Sie haben das alles schon einmal mitgemacht.“ Zur Krisenvorsorge gehört beispielsweise, dass kaum jemand über ein Bankkonto verfügt. Stattdessen horten die Leute kleine Mengen Gold, die sich leichter verstecken lassen.

Wie es langfristig in Myanmar weitergeht, ist laut Ebead noch offen. Viele Menschen würden auf ein Modell wie bei den Nachbarn in Thailand hoffen, wo ebenfalls die Militärs die Macht übernommen haben, das Land aber für Wirtschaftsbeziehungen und Tourismus offen halten.

Auch Ebead selbst hofft, mehr vom Land zu sehen, wenn die Pandemie einmal abgeklungen ist. Unabhängig von den politischen Verwerfungen sei Myanmar ein Land „mit beeindruckender Kultur, wunderschönen Landschaften und unglaublich netten Menschen – und nicht so überlaufen wie Thailand“.