Fünf-Sterne-Bewegung stimmt über Regierungsbeteiligung ab

Für die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, der stärksten Partei im italienischen Parlament, schlägt am Donnerstagabend die Stunde der Wahrheit. Von 10 bis 18 Uhr können die Parteiaktivisten auf der Online-Plattform „Rousseau“ darüber entscheiden, ob die ehemalige Anti-Establishment-Bewegung einer Koalition unter der Führung des Ex-Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, beitreten soll. Mit einem Ergebnis ist kurz nach Ende der Befragung zu rechnen.

Die Frage, auf die die Parteiaktivisten antworten sollen, ist geschickt formuliert: „Sind Sie damit einverstanden, dass die Fünf-Sterne-Bewegung eine technokratisch-politische Regierung um Mario Draghi mit einem Superministerium für den ökologischen Wandel unterstützt?“ Damit bezieht sich die Parteispitze auf ihre größte Errungenschaft bei den Verhandlungen mit Draghi: Der beauftragte Premier stimmte einem Umweltministerium mit ausgedehnten Kompetenzen zu, das Italiens Wirtschaft im Einklang mit der EU-Agenda Next Generation ökologisch umstrukturieren soll. Damit kommt er einer Forderung der ökologisch orientierten Cinque Stelle entgegen.

Das Ja zu einer Koalition von Draghi sei notwendig, um die „wichtigsten Resultate zu verteidigen, die die Fünf-Sterne-Bewegung seit Beginn der Legislaturperiode 2018 errungen hat“, argumentiert die Parteispitze. Gemeint ist unter anderem ein 2019 eingeführtes Grundeinkommen von bis zu 780 Euro, das 1,2 Millionen Familien beziehen. Die Mindestsicherung gilt als größter politischer Erfolg der Cinque Stelle in dieser Legislaturperiode.

Erwartet wird, dass die Fünf-Sterne-Aktivisten dem Beschluss der Parteispitze, der Regierung Draghi beizutreten, zustimmen. Schon in der Vergangenheit hatten die Parteianhänger per Online-Abstimmungen radikale politische Richtungswechsel abgesegnet, etwa wenn es darum ging, im Jahr 2018 eine Regierung mit der rechtspopulistischen Lega und ein Jahr später mit den einstigen sozialdemokratischen Erzfeinden einzugehen.

Jetzt muss die Parteispitze ihren Aktivisten eine Regierung mit Draghi, eigentlich Sinnbild der verhassten Brüsseler Eliten und des Bankensystems, schmackhaft machen. Keine leichte Aufgabe, denn die Cinque Stelle waren 2009 als Protestbewegung gegen die Privilegien der „Kaste“ der Berufspolitiker, EU-Technokraten und des Bankensystems entstanden. Unter den parteiinternen Rebellen rumort es. Aktivisten, die eine Regierung Draghi ablehnen, kritisierten, dass die Parteispitze die ursprünglichen Werte der Anti-Establishment-Gruppierung „verraten“ habe. Angeführt wird der Protest vom innerparteilichen Hardliner und Ex-Parlamentarier Alessandro Di Battista.

Rückendeckung erhielt die Parteispitze vom zurückgetretenen Premier Giuseppe Conte. Der parteilose Jurist steht den Cinque Stelle nahe, die seit Juni 2018 seine beiden Regierungen unterstützt hatten. „Wäre ich ein Parteiaktivist, würde ich für eine Regierungskoalition mit Draghi an der Spitze mit Ja stimmen“, meinte Conte, der für einen Ministerposten im neuen Kabinett im Gespräch ist.

Sollte die populistische Partei Grünes Licht ihrer Anhänger zum Beitritt in die Regierung Draghi erhalten, wird sie auf ihre Propaganda gegen die Eliten verzichten und sich zur engen Zusammenarbeit mit Brüssel entschließen müssen. Dies könnte ihr Stimmen kosten, vor allem wenn sich Draghi zu unpopulären Maßnahmen, etwa zur Eindämmung der explodierenden Staatsschuld, entschließen sollte. Davon könnten die Rechtspartei Fratelli d‘Italia (Brüder Italiens) und deren im rechten Lager zunehmend an Popularität gewinnende Chefin Giorgia Meloni profitieren. Sie ist die einzige im Parlament vertretene Partei, die sich nicht der Großen Koalition von Draghi anschließen will.