Literatur

„Vater. Mutter. Kind. Kriegserklärungen“: Direkt im Ton und im Detail

Margit Schreiner, Jg. 1953, wuchs in Linz auf. Heute lebt sie im nördlichen Waldviertel, „am Rande des Naturschutzgebietes“.
© Patricia Marchart

Margit Schreiner ist ein Kind der Nachkriegsgeneration. In ihrem neuen Buch beschreibt sie mit Klartext, wie sich das anfühlte.

Von Markus Schramek

Innsbruck – Schon wieder ein Stück Autofiktion österreichischer Herkunft, eine Melange aus persönlich Erlebtem und schreiberischem Dekor. Und erneut vermag man sich den Schilderungen einer Kindheit, eines Aufwachsens nach dem letzten Krieg, nicht zu entziehen. Die Vorarlbergerin Monika Helfer stemmt gerade einen Drei-Bänder, um die, gelinde gesagt, wechselvolle Geschichte ihrer Verwandtschaft aufzuschreiben. Nach „Die Bagage“ liegt mit „Vati“ seit wenigen Wochen Band 2 von Helfers Trilogie vor.

Fast zeitgleich veröffentlicht die Oberösterreicherin Margit Schreiner, Jahrgang 1953 und sechs Jahre jünger als Helfer, ihr Neu-Werk. „Vater. Mutter. Kind. Kriegserklärungen“ heißt der (auto-)biografisch gefärbte Roman. Die Autorin hat ein Faible für Stakkato im Buchtitel, siehe ihre früheren Romane „Haus, Frauen, Sex.“ (2001) oder „Haus, Friedens, Bruch.“ (2007).

Wem’s gefällt! Schreiners Schreibe selbst hat jedenfalls nichts Abgehacktes, im Gegenteil. Ganz ohne Kapiteleinteilung oder bemühte Überleitungen denkt sie sich episodenhaft zurück in ihre Volksschulzeit in der Voest-Siedlung im heimatlichen Linz: ein spindeldürres Mädchen von sieben Jahren mit Topffrisur und Zahnlücken.

Anders als Helfer, die wenig von sich selbst preisgibt, sondern in erschütternden Details vom Los ihrer Großeltern und Eltern erzählt, betreibt Schreiner eine Art Nabelschau. Vom Stuhlgang bis zum erotischen Erwachen spart sie wenig davon aus, was sie als junges Ding eben so beschäftigt hat. Launige Kommentare der heute 67-Jährigen Schreiberin rücken manches nachträglich in die Jetzt-Perspektive.

Nur gut jedenfalls, dass Schreiners Eltern, der Vater ein leitender Mitarbeiter der Voest-Stahlwerke, die Mutter eine sehr auf den äußeren Schein bedachte Haushaltsmanagerin, nicht alles mitbekamen, was Klein-Margit und ihre (gemischte) Clique im Hinterhof so trieben.

Denn Schreiners siebenjähriges alter Ego wähnte sich, im immer noch martialisch durchsetzten Jargon der damaligen Zeit, „grundsätzlich im Kriegszustand. Da heißt es, raus ins feindliche Leben.“

So schlimm kommt es auf und zwischen den Zeilen freilich aber gar nicht herüber. Über Vaters verbotenes Bücher-Schatzkisterl (Rote-Ohren-Lesestoff!) erschließt sich die heranwachsende Tochter die Welt des Geschriebenen, der Schritt hin zum späteren Beruf ist getan. Weil als Sekretärin „völlig unbegabt, blieb ich bei der Schriftstellerei“, konstatiert sie viel später.

Eine erfreuliche Einsicht. Schreiners direkter, trockener Humor und ihr genaues Auge bescheren dem Leser erhellende Momente des Wiedererkennens, vielleicht sogar des Verstehens. So bringt sie den Zwiespalt der Nachkriegsgeneration wie folgt auf den Punkt: „Die sechziger Jahre waren überhaupt eine merkwürdige Zeit: Einerseits Verschwendungssucht bei Küchengeräten, andrerseits Knausrigkeit bei Gefühlen. Besonders Kindern gegenüber.“ Nähe zu den eigenen Erzeugern, so ist es förmlich zu spüren, bleibt eine unerfüllte Sehnsucht.

Und dennoch: Ob altersmilde oder mit verklärtem Blick zurück, Schreiner schließt versöhnlich: „Es war eine schöne Zeit.“

Roman Margit Schreiner: Vater. Mutter. Kind. Kriegserklärungen (Über das Private). Schöffling 2021, 224 Seiten, 22,70 Euro.

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