„Fuckers“: Geldscheine, Goldbarren und beseeltes Scheitern
Verlängert bis März: In der Schau „Fuckers“ versammelt Jakob Kolding Kommentare auf kapitalistische Strukturen. Zu sehen in der Stadtgalerie Schwaz.
Von Barbara Unterthurner
Schwaz – Anna Pech hat ihren ganz eigenen Zugang gefunden, um mit ihrer Kunst das kapitalistische System zumindest temporär zu unterwandern. Indem sie das tut, was alle anderen machen: Die österreichische Künstlerin kauft ein. Billige und massenproduzierte Kleidungsstücke. In aufwändiger Kleinstarbeit fertigt Pech von diesen 08/15-Teilen Kopien an – an der eigenen Nähmaschine. Ist die Kopie mit dem Etikett von H&M, Zara oder einem anderen Highstreet-Shop erst fertig, tauscht Pech ihr handgefertigtes Stück ein, unbemerkt kommt es mit anderen massenproduzierten Artikeln wieder in Umlauf.
Hängt in der Stadtgalerie Schwaz nun eine Kopie oder ein in China in Masse produziertes Oberteil? Als Besucher der aktuellen Ausstellung „Fuckers“ kann man das nicht herausfinden. Man darf dem Kunstwerk bloß glauben.
Kurator Jakob Kolding versammelt für „Fuckers“ vielfältige künstlerische Kommentare auf ein kapitalistisches Narrativ, das auch die Stadt Schwaz geprägt hat. Inspiriert wurde Kolding, der primär als Künstler tätig ist und als solcher 2005 auch schon einmal in der Stadtgalerie ausgestellt hat, von der Stadt und ihrer Geschichte als Bergbaumetropole in der Zeit der Renaissance. Kein Wunder also, dass ausgerechnet Sigmund der Münzreiche, besser sein manierierter Reiterharnisch, die Einladungskarte zur Ausstellung ziert.
Direkte Bezüge auf das monetäre System gibt es in der Ausstellung zuhauf: Wolfgang Tillmanns Aufnahmen aus der Gelddruckerei, die auf den rein physischen Zustand von Geldscheinen oder Goldbarren fokussieren, hängt gegenüber von Annette Kelms „500 Euro“, bei dem die Frage nach Abbildung oder Illusion einmal mehr eine ungeklärte bleibt.
Am schnöden Mammon bleibt Koldings ungemein dichte, aber auf diesem kleinen Raum klug inszenierte Schau übrigens nicht hängen. Sie gräbt sich tiefer in das kapitalistische Narrativ ein, untersucht scheinbar unverrückbare Standards und unterschiedlichste Ausbrüche aus dem System. Das gelingt unbewusst mit Anders Clausens stillen Überlegungen zum Urmeter, dem Maßstab für das standardisierte Messen, der in der Französischen Revolution geboren wurde. Das Maß hatte sich erstmals gänzlich von Körpereinheiten (z. B. Fuß) emanzipiert.
Ausbrüche gelingen aber auch über performative (Julius Koller) oder sprachliche Handlungen, Monica Bonvicini etwa fordert in „it’s time“, dass es an der „Zeit ist, wieder wütend zu werden“. Auflehnung geht aber auch poetischer: Zentral steht Klara Lidéns beseeltes Scheitern. Im Video „Erdung“ streift die Künstlerin durch ein menschenleeres Wallstreet-Viertel. Immer wieder stürzt sie, rafft sich auf, macht weiter. Wie lang kann ein Körper das Auf und Ab, von dem auch das wirtschaftliche System lebt, mitmachen?
„Fuckers“ ist keine Schau, die sich einfach erschließt. Sie fordert Zeit, ist kräftezehrend. Belohnt wird man aber mit starker Gegenwartskunst und einem eigenwilligen kuratorischen Konzept.