Schallenberg warnt vor Grenzchaos, scharfer Protest noch ohne Wirkung
Außen- und Innenminister verhandeln mit Deutschland, aber auch Italien im Stundentakt. Eine Lösung für das Chaos um das Einreiseverbot für Tiroler nach Bayern ist offen.
Innsbruck, Wien, München – Dass Tiroler gestern nicht einmal mehr im Korridor (Durchreise) über das Kleine und Große Deutsche Eck ins „restliche Österreich“ fahren durften, brachte jetzt auch in der Bundesregierung das Fass zum Überlaufen. Und die nach wie vor ungelöste Frage der Grenzpendler, wobei Bayern die Einreise von „systemrelevanten Arbeitnehmern“ bis Mittwoch wohl ermöglichen wird, aktivierte Außen- und Innenministerium. Zum Drüberstreuen verhängte Italien dann noch eine 14-tägige Quarantänepflicht für einreisende Österreicher – ohne die Möglichkeit, sich freizutesten.
Außenminister Alexander Schallenberg und Innenminister Karl Nehammer betonten gegenüber der TT, dass sie sich schon seit Tagen um eine Lösung bemühen. Gestern Abend gab es auf Experten-ebene ein weiteres Gespräch mit dem deutschen und italienischen Botschafter. Nehammer sparte nicht mit Kritik an Deutschland. „In der Eile war Berlin und München wohl nicht bewusst, welches Chaos sie da anrichten.“ Die Schikanen müssten beseitigt werden, fordert Nehammer. Noch herrscht Verwirrung.
Schallenberg befürchtet wegen der Grenzschließungen einen Rückfall ins Frühjahr 2020. „Das müssen wir verhindern“, spricht er offen von „überbordenden Maßnahmen“, die eine ohnehin stark geschwächte Wirtschaft noch weiter massiv behindern würden. Den Tiroler Grenzpendlern empfiehlt er, heute jedenfalls zu ihrer Arbeit nach Bayern zu fahren. „Sollten sie zurückgewiesen werden, wäre das eine Schikane, die nicht zu akzeptieren ist.“ Laut LHStv. Ingrid Felipe (Grüne) gilt für die Pendler bis Mittwoch eine Übergangsregelung.
Scharfer Protest noch ohne Wirkung
Nur noch über einen Umweg können die Tiroler seit gestern Richtung Salzburg fahren. „Wir sind damit konfrontiert, dass entgegen anderslautenden Aussagen das Durchfahren ohne Stopp über das Kleine und Große Deutsche Eck nicht ermöglicht wird. Folglich ist es notwendig, wenn man von Tirol nach Salzburg oder Wien reisen muss, großräumig auszuweichen. Eine solche Vorgangsweise ist weder verhältnismäßig noch sinnvoll“, übte bereits Sonntagmorgen Tirols LH Günther Platter (VP) heftige Kritik. In der Tiroler ÖVP gärt es erneut.
„Mit der Reisewarnung durch die Bundesregierung wurden wir ohnehin schon von Österreich abgekoppelt. Was die Regierung da angerichtet hat, müssen jetzt die Pendler auslöffeln“, sieht Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl die türkis-grüne Regierung in der Pflicht. Außenminister Alexander Schallenberg weist die Kritik im TT-Gespräch zurück, „die in Österreich getroffenen Maßnahmen zur Verhinderung der südafrikanischen Coronavirus-Mutation sind mit dem Land Tirol abgesprochen“. Über die Vorgangsweise von Deutschland und Italien ist er aber alles andere als glücklich. „Über die verschärften Einreiseregelungen Roms mit der Quarantäne ohne Möglichkeit, sich freizutesten, wurden wir erst eine halbe Stunde davor informiert.“
Schallenberg hat am Sonntag seinen Amtskollegen aus Italien und Deutschland, Luigi Di Maio und Heiko Maas, mitgeteilt, dass ihm das Augenmaß in dieser „besonders volatilen Situation“ fehle. „Die Maßnahmen haben ganz schwerwiegende Auswirkungen auf ganz Österreich und stehen daher in einem klaren Widerspruch zu den ‚lessons learned‘ aus dem letzten Frühjahr.“ Er warnt vor überschießenden Maßnahmen.
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bezeichnete die bayerischen Maßnahmen, die nur Chaos auslösen würden, als unausgegoren. Er habe überhaupt kein Verständnis für das Verbot der Durchreise „von Österreicherinnen und Österreichern“. Nehammer versuchte das dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann auch zu verdeutlichen. Doch Sonntag zeichnete sich noch keine Lösung ab, am Abend gab es auf Expertenebene ein Gespräch mit dem italienischen und dem deutschen Botschafter.
Im Hintergrund heißt es jedoch, dass München und Berlin beim Einreiseverbot für die Tiroler gekonnt Pingpong spielen würden. Heute sollen die Verhandlungen jedenfalls weitergehen. Offenbar hat Bundeskanzler Kurz (ÖVP) auch schon mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel gesprochen. (TT)