Theatermacherin Susanne Lipinski setzt sich für Fair Pay ein
Susanne Lipinski hat gerade eines ihrer bisher größten Projekte umgesetzt: Die Salzburger Künstlerin und ihr Kollektiv Kollinski brachten kürzlich die Performance „Austropopo“ auf die Bühne - allerdings nur für ein digitales Publikum. Wie viele andere Künstlerinnen und Künstler, wurde Lipinski von der Coronakrise und dem damit verbundenen Lockdown voll erwischt. Dessen ungeachtet gibt sie sich kämpferisch und meint: „Künstlerisch ist die Pandemie für mich eine totale Chance.“
Denn gerade „Austropopo“, eine Mischung aus Theater, Kochshow und Konzert, sei nicht zuletzt aufgrund von Corona realisiert worden. „Ich habe dafür erstmals eine ordentliche Förderung bekommen. Man muss natürlich wissen, welche Töpfe man anzapft“, erzählt Lipinski im Gespräch mit der APA. Dem Land Salzburg stellte sie ein gutes Zeugnis in der Krise aus, „das war ein Superpartner“. Was natürlich noch lange nicht bedeute, dass alles eitel Wonne ist. Für viele Künstlerinnen und Künstler seien die Unterstützungsmodelle „ein undurchschaubares System, bei dem sie durchfallen“, so Lipinski, die auch für den Dachverband Salzburger Kulturstätten arbeitet.
Eines ist für die Performerin, Dramaturgin und Theaterpädagogin offensichtlich: „Corona zeigt nur, was ohnehin klar ist, dass wir nämlich grundsätzlich zu wenig verdienen! Wenn über Wasser haltende Nebenjobs dann auch noch wegfallen, dann stürzt das labile Gerüst ‚freie KünstlerIn‘ in sich zusammen.“ Zudem seien durch den Lockdown auch Tätigkeiten wie Moderationen oder Unterrichtstätigkeiten nur beschränkt möglich. Daher ihre Forderung: „Schauen wir doch, dass die Freie Szene, die der Nährboden der Hochkultur ist, ordentlich finanziell abgesichert wird. Dafür kämpfe ich kulturpolitisch ziemlich drastisch und rede mir den Mund wund.“
Immerhin gehe es um eine künstlerische Qualität, die genau dort zu finden sei. „Ich ärgere mich, wenn ich als Zuschauerin im Stadttheater sehen muss, dass die ihren Job nicht machen“, so Lipinski, die nach einem Jahr Max-Reinhard-Seminar schließlich in Graz ihre erste künstlerische Heimat fand und die Bühnenreifeprüfung ablegte. Nach einigen Jahren in der dortigen Freien Szene kam sie schließlich ans Toihaus Theater in Salzburg, bevor sie ihr Kollektiv gründete. Gerade die freien Gruppen würden ihrer Ansicht nach für die Jetztzeit relevante Projekte auf die Beine stellen. „Sie werden dafür aber nicht gerecht bezahlt.“
Ob die Coronakrise ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für die prekäre Situation bringe? „Es bröckelt ja schon weg“, macht sich Lipinski wenig Illusionen. „Das beginnt da, wenn der Bundeskanzler sagt, dass die Kultur nur etwas für Kulturverliebte ist. Das trifft natürlich ins Herz, aber nicht nur die Freien, sondern die Kunst- und Kulturszene im Allgemeinen.“ Zwar stehe die Forderung nach Fair Pay erstmals im Regierungsprogramm des Bundes und habe beispielsweise das Land Salzburg ein Budget dafür vorgesehen. „Aber das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dennoch gibt es ihn! Es ist also angekommen, es werden Gelder locker gemacht - während es gleichzeitig aber auch Kürzungen gibt. Die Angst geht schon in die Richtung, dass ausgesiebt wird. Das wäre für die Diversität fatal.“
Ein mögliches Vorbild ortet die Theatermacherin in München, wo nach Neuaufstellung der Förderung zunächst zwar weniger Projekte zustande kamen, diese aber durch entsprechende finanzielle Ausstattung qualitativ hochwertiger waren. „Das gibt dann einen Imagegewinn für die Stadt, zudem ziehen andere Künstlergruppen nach. So müsste es gehen“, meint Lipinski. Für eine Besserstellung der Szene mache man jedenfalls „auf allen Ebenen ordentlich Druck. Und wir werden auch gehört“, verweist sie auf Gespräche mit Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer und Vizekanzler Werner Kogler (beide Grüne). „Ob die Intervention der IGs aber am Ende des Tages monetär für uns zu sehen ist, das weiß man nicht.“
„Ich kann nicht mehr, als gute Kunst dagegenhalten“, umreißt Lipinski ihr Credo. „Ein Beschluss für mich und unser Kollektiv ist auch: Ich mache nur Kunst, wenn ich ordentlich zahlen kann. Was immer noch nicht bedeutet, dass ich bei Fair Pay bin.“ Und Stichwort Geld: Das spiele auch bei Streamingprojekten eine zentrale Rolle. Um etwa „Austropopo“ adäquat für einen digitalen Rahmen umsetzen zu können, seien schließlich Filmregie, Kameras und Postproduktion notwendig. „Da brauche ich das doppelte Budget“, unterstreicht Lipinski. „Das kann ich mit der eigentlichen Förderung nicht zahlen, was dann schon wieder Richtung Ausbeutung geht.“
Ohnehin lebe das Theater davon, „dass wir gemeinsam mit dem Publikum atmen. Ich mache also lieber etwas live - oder gleich anders als spartenübergreifendes Projekt, wo ich tatsächlich die ExpertInnen aus der digitalen Kunst von Anfang an dabei habe.“ Ein derartiges Vorhaben entwickle sie derzeit und plant für 2022 die Umsetzung. „Kollinski soll einfach von Projekt zu Projekt größer werden“, skizziert Lipinski ihre Vision für das Kollektiv. „Ich schaue einfach, was sich verwirklichen lässt. Das Kollektiv soll noch größer werden - und das wird es auch!“ Wesentlich sind dabei auch langjährige Unterstützerinnen wie die Musikerin Gudrun Plaichinger, Regisseurin Natascha Grasser oder Carmen Bayer von der Salzburger Armutskonferenz. „Das sind Menschen, die mich von Anfang an begleiten und dem Kollektiv guten Input geben.“
Bleibt zum Schluss noch die Frage, welche Konsequenzen man als Gesellschaft aus Corona ziehen kann. „Die Krise ist ja eigentlich ein Aufschrei der Natur, dass Massentierhaltung, Massentourismus und alles, was mit Massen zu tun hat, nicht okay ist“, fasst Lipinski zusammen. „Wie wollen wir etwa diese Horden, die über Salzburg hereinbrechen, überhaupt kulturell zufriedenstellen? Mein Wunsch wäre, einen Schritt zurückzumachen und zu schauen, wie wir wirklich neu anfangen können. Ich bin eine verlorene Idealistin, was das angeht. Aber ich kann es in der Kunst umsetzen, wo ich vielleicht keine Lösungen bieten kann, aber Problemstellungen gut und humoristisch aufbereiten.“
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
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