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Die lieben Nachbarn und anderer Ärger: TT-Ombudsmann Klaus Lugger im Interview

Lärm zählt zu den meistgenannten Problemen, wenn es um Streitigkeiten mit den Nachbarn geht.
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Was für ein Jahr: Ombudsmann Klaus Lugger ist Ansprechpartner bei allen Problemen rund ums Thema Wohnen. Er spricht über extreme Fälle, Ziegen und Stromdiebstahl und darüber, was einen guten Hausverwalter ausmacht.

Von Michaela S. Paulmichl

Innsbruck – Beinahe täglich melden sich Leser mit Problemen rund ums Wohnen und bitten um Rat. Klaus Lugger, langjähriger Geschäftsführer der Neuen Heimat und seit einigen Jahren Mitglied im Ombudsteam, blickt im Interview auf das vergangene Jahr zurück, welche Fälle ihn ganz besonders gefordert haben, wo ein Intervenieren oder Schlichten möglich war und warum es manchmal schwierig ist, zu helfen.

In den mit Abstand meisten Fällen ging es um das leidige Thema Lärmbelästigung – durch den nachtaktiven Nachbarn oder den Lärm vom Hausbau gegenüber. Ein Tiroler meldete sich, weil ein Mitbewohner seine Wohnung selbst renovierte und dort sozusagen eine Dauerbaustelle eingerichtet hatte. Warum ist es gerade in solchen Fällen oft schwierig, etwas gegen die Verursacher zu unternehmen, und welche Möglichkeiten und Rechte haben Betroffene überhaupt, sich zu wehren?

Klaus Lugger: Einen gewissen Lärm muss man schon aushalten. Wo aber das übliche Maß überschritten wird und die eigene Wohnqualität schwer leidet, kann oder soll man sich wehren. Wichtig ist, dass die Vorfälle protokolliert werden und möglichst Zeugen – aus dem eigenen Haushalt, Besucher, Nachbarn – angeführt werden. Schriftliche Anzeigen sollte man vorerst der Polizei, in Innsbruck der MÜG überreichen. Natürlich ist vorher ein Gespräch mit dem Lärmerreger wichtig, die Praxis zeigt aber, dass manche sehr uneinsichtig sind. Die mehrgeschoßigen Wohnbau sollte auch die Hausverwaltung schriftlich informiert werden. Deren Möglichkeiten sind aber oft gering.

Häufig kommt es unter Nachbarn auch zu Streit, weil das Stiegenhaus verstellt ist und als Garderobe oder Lagerfläche dient. Was waren die krassesten Fälle, und warum ist es so wichtig, das Stiegenhaus freizuhalten?

Lugger: Das ist ein Problem jeder Hausverwaltung! Zudem übertreiben es manche Bewohner zum Beispiel mit zehn Paar Schuhen, Regalen und Blumen. Ich mache immer auf die Gefahr aufmerksam, falls es einmal brennen und das Stiegenhaus verraucht sein sollte. In diesem Fall stolpern die ins Freie Flüchtenden über jedes Hindernis. Die Gemeinde mit ihrer feuerpolizeilichen Kompetenz könnte bei diesen Fragen beigezogen werden.

Was ist zu tun, wenn es Probleme mit der Hausverwaltung gibt? Zum Beispiel wenn Versammlungen nicht regelmäßig abgehalten werden oder es keine Vorschreibungen gibt? Was sind die Pflichten der Hausverwalter?

Lugger: Das Wohnungseigentumsgesetz schreibt zwingend vor, alle zwei Jahre eine Versammlung einzuberufen. Auf dieses Recht sollte der Wohnungseigentümer bestehen, auch wenn sich die Nachfrage der Bewohner in Grenzen hält. Vor allem über die notwendigen Instandhaltungen und die sich daraus ergebende Höhe des monatlichen Instandhaltungsbeitrages sollte diskutiert werden.

Ist es auch ihre Aufgabe, zwischen den Hausparteien zu vermitteln, wenn es Streit gibt?

Lugger: Ein guter Hausverwalter wird sich durch Informationsweitergaben stets um den Frieden im Haus bemühen, er ist aber gesetzlich kein Vermittler.

Auch Geruchsbelästigung ist immer wieder ein Thema – verursacht durch eine nicht artgerechte Tierhaltung oder weil sich auf einem Balkon Tauben eingenistet haben. Was waren die kuriosesten Fälle?

Lugger: Ich bin selber mit einem heißgeliebten Hund aufgewachsen. Die meisten Tierhalter bemühen sich auch sehr um das Tierwohl. Der Ombudsmann ist natürlich oft mit Extremfällen konfrontiert. So hat sich ein Ziegenhalter in Götzens nicht an die Auflagen der Gemeinde gehalten. Die Bewohner in einem benachbarten Wohnblock fühlten sich arg in Mitleidenschaft gezogen, auch der Wert ihrer Wohnung wurde dadurch vermindert. Erst nach langem Hin und Her hat der Ziegenhalter sein Verhalten geändert. Auch eine leerstehende Nachbarwohnung, wo sich auf dem Balkon die Tauben und damit auch die Exkremente stark vermehren, ist eine große Beeinträchtigung. Erst nach langen, rechtlich fundierten Drohungen ließ dieser Wohnungseigentümer den Balkon reinigen.

Häufig geht es darum, dass ältere Bewohner in Häusern ohne Lift den Weg zu ihrer Wohnung nicht mehr alleine schaffen. Welche Möglichkeiten gibt es, damit sie in der gewohnten Umgebung bleiben können, und was ist bei dem nachträglichen Einbau eines Lifts zu beachten?

Lugger: Immer wieder gibt es Anfragen, was nötig ist, um im Wohnblock einen Lift einzubauen, um auch im Alter möglichst lange in der eigenen Wohnung zu leben. Bei vielen Stiegenhäusern wurde dies schon gemacht. So hat die Neue Heimat Tirol bei nahezu allen E+4-Gebäuden – Häuser mit Erdgeschoß und vier Stöcken – einen Lift eingebaut. Das ist immer ein Hürdenlauf von der Hausverwaltung bis zur Baubehörde, die Finanzierung muss gesichert und die Mitbewohner überzeugt werden. Ich hoffe, dass sich die Hausverwaltungen mit ihrem Know-how stark dafür einsetzen. Oft scheitert es am geringen Interesse der Mitbewohner bzw. an der finanziellen Belastung. Manchmal ist ein Treppenlift ein Lösung.

Ein Mieter eines Geschäftslokals hat sich gemeldet, weil die Gasleitung herausgerissen war, im Winter funktionierte daher die Heizung nicht. Die Vermieterin – eine Baugesellschaft – will das Haus abreißen lassen und ist interessiert daran, dass dieser letzte Mieter auszieht. Wie konnte das Problem gelöst werden?

Lugger: Die herausgerissene Gasleitung war für mich ein beängstigender Fall. Fast hat es nach „Mietermobbing“ ausgeschaut. Hier musste ich Druck machen!

Ein Fall legte den Verdacht eines Stromdiebstahls durch den Nachbarn – ein Elektriker – nahe. Kommt das häufig vor und wie kann man sich dagegen wehren?

Lugger: Das kommt selten vor, aber manchmal eben doch. Im Tiroler Unterland sollte eine Stromkundin auf einmal das Zigfache ihrer sonstigen Haushaltsjahresstromrechnung bezahlen. Die Überprüfung durch die Tiwag und einen Energieberater blieb ohne Ergebnis. Ein Stromzählerfehler ist mir in meiner langjährigen Praxis noch nie untergekommen. Die Kundin selbst dachte schließlich an Stromdiebstahl, da ihre Leitungen im Keller und im Dachboden frei zugänglich waren. Hier könnte ein Fachmann die „Abzweigungssicherheit“ technisch erhöhen.

Gibt es einen universellen Rat bei Problemen mit den Nachbarn?

Lugger: Viele Auseinandersetzungen werden durch Gespräche und gegenseitiges Verständnis verhindert. Wenn das nicht möglich ist, wird eine Protokollierung der Vorfälle notwendig. Damit können in der Folge Anzeigen bei den Behörden gemacht werden. Anrufe bei der Gemeinde oder bei der Polizei sind manchmal hilfreich. Im Ernstfall braucht es aber eine schriftliche Information, damit hat der Beschwerdeführer auch den Nachweis, dass die Behörde informiert wurde.