Neues Thuile-Projekt: Das Bild vom Bild des Bildes
Den „genius loci“ eines verlassenen Hotels verdichtet Paul Thuile zum vielschichtigen Objekt.
Von Edith Schlocker
Innsbruck – Dass Paul Thuile das Spiel mit Schichten, mit der Kombination unterschiedlicher Qualitäten der Wahrnehmung mag, ist nicht neu. In seinem aktuellen Zyklus „genius loci“ perfektioniert der 62-jährige Bozner, der bei Oswald Oberhuber an der Wiener Angewandten studiert hat, dieses Tun allerdings noch, indem er nicht nur drei Ebenen derselben Wirklichkeit raffiniert überlagert, sondern diese komplexen Surrogate zu objekthaft daherkommenden Leuchtkästen komprimiert, in denen es um „den Geist“ eines sehr speziellen Orts geht.
Konkret geht es um den seit Jahren geschlossenen, mehr und mehr zerfallenden Gasthof „Zum Weißen Kreuz“ in Karthaus im südtirolischen Schnalstal. Eine nun leere Hülle, die trotz aller Tristesse Geschichte atmet. Dieser auf seine sehr spezielle, rein intuitive und gleichzeitig zutiefst konzeptuelle Art und Weise nachzuspüren, ist das Ding von Paul Thuile. Um die Wände des Hauses sozusagen zum mehrteiligen „Zeichenblatt“ zu machen, indem er jeweils von unterschiedlichen Positionen aus das konkret von ihm Gesehene akribisch genau auf die leere Wand zeichnet. Wodurch die räumliche Wirklichkeit zum wie durch ein Weitwinkelobjektiv verzerrten zweidimensionalen Illusionsraum wird, reduziert auf ein wunderbar subtiles Gespinst aus feinen Linien. Stilisiert zur Struktur, die zwar mit konkreten Tischen, Stühlen, Stiegen, Fenstern und Steckdosen zu tun haben, die zwar der zeichnende Künstler, nicht jedoch wir als Betrachter seiner Kunst sehen.
Nachdem Paul Thuile die Settings aus Realität und deren zeichnerischem Abbild professionell fotografieren ließ. Regie führe allerdings auch in dieser Phase er, sagt der Künstler. Bevor er die Fotografien in einer finalen Phase in Leuchtkästen einhaust. Um diese fast wie Fenster oder auch Leuchtreklamen in den galeristischen White Cube zu hängen. Wodurch die morbide Brüchigkeit der Sujets auf fast surreale Weise an Glanz gewinnt.