EuGH-Anwalt: Wohnbeihilfe in OÖ nicht an Deutschkenntnisse koppeln
Die Erfordernis des Nachweises von Deutschkenntnissen für den Bezug von Wohnbeihilfe in OÖ durch Nicht-EU-Bürger verstößt nach Auffassung des EUGH-Generalanwalts gegen EU-Recht. In dem Rechtsstreit (C-94/20) geht es um einen türkischen Staatsangehörigen, der zwar Deutsch auf dem verlangten Niveau beherrscht, aber ohne Sprachprüfung über keinen Nachweis darüber verfügt und keine Wohnbeihilfe mehr bekommt. Der oö. LHStv. Manfred Haimbuchner (FPÖ) wälzt bereits einen „Plan B“.
Der türkische Staatsbürger machte vor den österreichischen Gerichten geltend, dass die Voraussetzung des Nachweises von Deutschkenntnissen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, den die EU-Richtlinie betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen festschreibt. Diese verbietet eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft. Das Landesgericht Linz hat den EuGH um Auslegung ersucht.
Die Wohnbeihilfe, die auf 300 Euro begrenzt ist, sei eine „Kernleistung“ im Sinne der EU-Richtlinie, argumentierte der EuGH-Generalanwalt. Die Richtlinie sei daher so auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften wie im Oberösterreichischen Wohnbauförderungsgesetzes entgegenstehe, welche die Erfordernis von Deutschkenntnissen an einen Nachweis knüpfen. Nach der Richtlinie seien die EU-Mitgliedstaaten angehalten, langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige in Bezug auf soziale Sicherheit, Sozialhilfe und Sozialschutz im Sinne des nationalen Rechts wie eigene Staatsangehörige zu behandeln.
Die EU-Richter sind nicht an die Meinung des Generalanwalts gebunden, folgen diesem aber üblicherweise in vier von fünf Fällen.
Der oberösterreichische Wohnbaureferent Haimbuchner reagierte gelassen: Es gebe noch kein Urteil, sondern nur eine Empfehlung, meinte er am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag. „Wir haben sehr gute Argumente und wir stehen auf der Seite der Österreicher und nicht der utopischen Multikulturalisten“. Man werde nun das Urteil abwarten. Notfalls habe er auch einen nicht näher definierten „Plan B“ oder sogar einen „Plan C“, kündigte Haimbuchner an. Er werde weiter darauf setzen, dass man nur dann eine geförderte Wohnung erhalte, wenn man die Sprache beherrsche.
Auch der schwarze Regierungspartner verteidigte den oberösterreichischen Weg. „Wir sind der festen Überzeugung, dass Integration nur dann gelingen kann, wenn Migranten über Deutschkenntnisse verfügen. Deshalb haben wir uns bewusst dazu entschieden, den Bezug der Wohnbeihilfe in Oberösterreich an den Nachweis von ausreichenden Deutschkenntnissen zu knüpfen. Wir nehmen die Ansicht des EUGH-Generalanwalts zur Kenntnis und warten die definitive Entscheidung des EUGH in diesem Einzelfall ab“, meinte ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer.
Die Grünen hingegen sahen sich durch die Ansicht des EUGH-Generalanwalts in ihrer Kritik bestätigt. Landesrat Stefan Kaineder betonte, dass bereits sein Vorgänger und derzeitige Sozialminister Rudolf Anschober ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben hatte, in dem festgehalten wurde, dass die Koppelung EU-rechtswidrig sei“, betont der Grüne Landessprecher LR Stefan Kaineder. „Ärgerlich und frustrierend sind aber die Situation für die Betroffenen und der schwere Schaden, der für Oberösterreich entstanden ist. Schwarz-Blau hat mit der oö. Wohnbeihilfenlösung untragbaren Populismus am Rücken der Schwächsten betrieben“, sagte er.
Der Klagsverband, der für den türkischen Staatsbürger 2018 das Verfahren eingebracht hatte, zeigte sich „erfreut über die Äußerung des Generalanwaltes“. Folge der EUGH seinem Generalanwalt „könnte das ein Ende der Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen bei der oberösterreichischen Wohnbeihilfe bedeuten“. Seit 2018 wird in Oberösterreich von nicht österreichischen oder nicht EU-Staatsbürgern neben einem mindestens fünfjährigen Aufenthalt in Österreich und einem Einkommensnachweis auch ein Deutschzertifikat verlangt, um die Wohnbeihilfe des Landes zu erhalten. „Für viele ältere, kranke oder aus anderen Gründen benachteiligte Personen sei es unmöglich, diesen formalen Nachweis zu erbringen“, so der Klagsverband.